Le Pen schmälert konservativen Erfolg
Von Danny Leder
Die Bedingungen für einen großen Sieg im zweiten Wahlgang sind vereint", konstatierte Jean-Francois Coppé, Vorsitzender der konservativen Oppositionspartei UMP. Nach dem ersten Durchgang der landesweiten französischen Gemeindewahlen am Sonntag gaben sich die Spitzen der UMP und ihrer Verbündeten von der liberalen UDI zwar zuversichtlich, aber nicht triumphal.
Laut dem vorläufigen Ergebnis von Montagmorgen kamen UMP und UDI auf rund 46,5 Prozent der Stimmen, das linke Regierungslager musste sich mit rund 37,7 Prozent begnügen. Mehrere mittelgroße Städte, die die Sozialisten bei den vorhergehenden Kommunalwahlen 2008 erobert hatten, dürften jetzt wieder in die Arme der bürgerlichen Parteien zurückkehren. Allerdings war es 2008 zu einer besonders breiten Siegerwelle der Linken gekommen. Wobei jetzt mit einer umso stärkeren Pendelbewegung weg von den Sozialisten gerechnet wurde, zumal das linke Regierungslager mit einer extremen Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu kämpfen hat.
Bei dieser ersten Testwahl seit Amtsantritt des sozialistischen Staatschefs Francois Hollande, der inzwischen laut Meinungsumfragen besonders enttäuscht hat, dürften aber die Sozialisten und ihre grünen Verbündeten mit einem blauen Auge davon gekommen sein. Ihre meisten Bastionen, allen voran Paris, bleiben ihnen erhalten. Vor allem aber könnte die Linke im zweiten, entscheidenden Wahlgang, nächsten Sonntag, von den beachtlichen Erfolgen der rechtspopulistischen Partei "Front National" (FN) von Marine Le Pen indirekt profitieren.
Relativer Erfolg der FN
Gemäß der ersten Hochrechnungen erreichte die FN in zwei bis vier Städten mittlerer Dimension (mit mehr als 10.000 Einwohnern) im ersten Wahlgang am Sonntag einen Stand, der es ihr ermöglichen könnte, nächsten Sonntag deren Rathäuser zu erobern. Auf Anhieb gewann sie die nordfranzösische Kommune Henin, ein abgewirtschaftetes Kohlerevier, wo sie nach fast zwanzigjähriger Wühlarbeit erstmals die 50-Prozent-Marke überschritt. Auf beeindruckende Ergebnisse kam die FN auch in Frejus (40 Prozent), Perpignan (34 Prozent) und Avignon (29 Prozent) – alles Gemeinden im Südwesten Frankreichs, wo die FN seit jeher ihre Hochburgen hat. Dort hatte die Rechtspartei aber bereits vor 20 Jahren drei mittlere und eine große Stadt (Toulon) gewonnen und anschließend, im Zuge von Skandalserien, wieder verloren.
Die FN wird aber jetzt vor allem durch die ihre aufrecht erhaltenen Kandidaturen im zweiten, entscheidenden Wahlgang, laut Meinungsforschern, die Erfolgsaussichten der bürgerlichen Opposition mindern. Dazu muss man sich das Wahlsystem vor Augen halten: wenn im ersten Durchgang keine Liste auf Anhieb die absolute Stimmenmehrheit erlangt, findet ein zweiter Wahlgang statt. Bei diesem können alle Listen neuerlich antreten, die im ersten Durchgang auf mindestens zehn Prozent kamen. Den Rathausvorsitz erlangt jene Liste, die dann die relative Stimmenmehrheit erreicht.
Dreikampf
Überall dort also, wo die Partei von Marine Le Pen am Sonntag die Zehn-Prozent Marke übersprungen hat, wird nächsten Sonntag ein Dreikampf zwischen dem linken Regierungslager, der konservativ-liberalen Opposition und eben der FN stattfinden. Wobei die Aufsplitterung der Oppositionswähler die Aussicht der Linksbündnisse erhöht, eine – relative – Stimmenmehrheit zu erlangen.
UMP-Chef Copé hat am Sonntag bekräftigt, dass für ihn eine Allianz mit der FN "selbstverständlich in keinem Fall in Frage kommt". Allerdings gibt es einzelne Gemeinden, namentlich in Südwestfrankreich, wo UMP-Lokalpolitiker sich auf Wahlabsprachen mit der FN eingelassen haben. Vertreter der Linksregierung haben ihrerseits beteuert, sie würden alles daran setzten, die Wahl eines FN-Bürgermeisters zu verhindern. In Wirklichkeit gibt es aber auch bei den Sozialisten Ortspolitiker, die nicht bereit sind, auf ihre Kandidatur zugunsten eines bürgerlichen Politikers zu verzichten, um einen Sieg der Rechten zu verhindern.
Sozialisten, Grüne und KP (und auch bürgerliche Zentrumspolitiker) hielten sich bisher überwiegend an das Prinzip des "republikanischen Abwehrdamms" gegen die FN: demnach verzichteten sie im zweiten Wahlgang auf eine eigene Kandidatur zugunsten eines bürgerlichen Kandidaten dort, wo ansonsten die FN voraussichtlich gewonnen hätte. Aber dieses Prinzip wird inzwischen auch von SP-Politikern nicht mehr überall automatisch angewandt. Drei Gründe werden von linken Politikern ins Treffen geführt: stellenweise werfen sie ihren konservativen Rivalen vor, diese würden sich in ihrem Kurs kaum von der FN unterscheiden, ja sogar weiter rechts stehen. Verzichtet die Linke auf eine eigene Kandidatur im zweiten Wahlgang, ist sie im jeweiligen Gemeinderat auch nicht mehr als Opposition vertreten. Und dann könnte erst recht der Eindruck entstehen, die FN wäre die einzige alternative Kraft, Sozialisten und Konservative würden bloß miteinander packeln.