Frankreich: Konservative wollen Bündnis mit Le Pen, Macron lehnt Rücktritt ab
In Frankreich wird Marine Le Pens rechte Partei Rassemblement National (RN) von den konservativen Republikanern umworben. Republikaner-Chef Eric Ciotti rief am Dienstag für die vorgezogenen Parlamentswahlen zu einem landesweiten Bündnis beider Parteien auf. "Wir sagen dieselben Dinge, also hören wir doch auf, künstlich einen Gegensatz aufzubauen", sagte Ciotti dem Fernsehsender TF1.
Wird es eine Art Allianz geben?
Ziel des Bündnisses sei es, bei der Wahl genug Sitze zu bekommen, um weiterhin eine Fraktion bilden zu können. Die Republikaner bräuchten eine Art Allianz, und das ist es, was er dem RN anbiete. "Das ist, was die große Mehrheit der Wähler möchte", betonte der Chef von Les Républicains (LR).
Vor der Ankündigung hatte Ciotti mit Le Pen gesprochen. Seine Tuchfühlung deutet darauf hin, dass ein jahrzehntelanger Konsens unter französischen Parteien wackelt, nicht mit der extremen Rechten zusammenzuarbeiten. Doch Ciotti, der zum besonders konservativen LR-Lager gehört, könnte mit seinen Avancen in Richtung Le Pen auch seine eigene Partei spalten. Mehr in der politischen Mitte verankerte LR-Politiker haben bereits angekündigt, dass sie einen Schritt in Richtung RN nicht gutheißen würden. Nach Ciottis Ankündigung gab es bereits erste Forderungen nach dessen Rücktritt aus dem gegnerischen Parteilager.
Rücktritt Macrons ausgeschlossen
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte nach den herben Verlusten seiner eigenen Partei Renaissance und dem klaren RN-Sieg bei der Europawahl am Sonntag überraschend die Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen für den 30. Juni angesetzt. In einer ersten Meinungsumfrage nach der Europawahl wurden dem RN die meisten Stimmen vorausgesagt, eine absolute Mehrheit würde die Partei allerdings verfehlen. Mit Blick auf die Neuwahlen Ende Juni hat Macron einen Rücktritt auch für den Fall eines Siegs des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen ausgeschlossen. "Der RN schreibt nicht die Verfassung, auch nicht den Geist der Verfassung", sagte Macron in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der Zeitung "Le Figaro".
"Die Institutionen sind klar geregelt, die Rolle des Präsidenten ist es auch, unabhängig vom Wahlergebnis", sagte Macron weiter. Die reguläre Amtszeit des Präsidenten, der in Frankreich direkt vom Volk gewählt wird, endet im Jahr 2027. Der seit 2017 amtierende Macron kann dann zunächst nicht erneut antreten, da mehr als zwei Amtszeiten in Folge ausgeschlossen sind.
Ausdehnung von Macrons Mitte-Bündnis
Macron will die von ihm kurzfristig angesetzte Parlamentswahl mit einer Ausdehnung seines Mitte-Bündnisses gewinnen. "Ich setze auf Sieg", sagte Macron in dem Interview. Er wolle in den nächsten Tagen "all denen die Hand reichen, die zum Regieren bereit sind". Sein Bündnis müsse sich breiter aufstellen und seine Linie klarer formulieren.
Frankreichs Premierminister Gabriel Attal sieht sein Land bei der kurzfristig angesetzten Parlamentswahl vor einer historischen Richtungsentscheidung. "Bei dieser Wahl steht mehr Dramatik und Geschichte auf dem Spiel als bei der Wahl 2022: Die extreme Rechte steht vor den Toren der Macht und das Linksbündnis Nupes hat in den letzten zwei Jahren ein empörendes Schauspiel geboten", sagte Attal am Dienstag vor Abgeordneten des Präsidentenlagers in Paris, wie der Sender BFMTV berichtete. "Es ist ein neuer Kampf, der beginnt, in dem nichts im Voraus gewonnen ist."
Gesellschaftliche Entscheidung in Frankreich?
Bei den Parlamentswahlen würden die Franzosen "vor einer gesellschaftlichen Entscheidung stehen", sagte der Premier und betonte, dass es zwei Möglichkeiten gebe: "Die Wahl der Ablehnung, des Hasses auf andere oder die Wahl des Respekts vor den Regeln und den Menschen". Es sei eine Wahl zwischen finanziellem und sozialem Chaos oder der Verantwortung. "Sie verkörpern Stabilität gegen das Chaos, Sie verkörpern Stolz gegen Rückzug, Sie verkörpern Mut gegen Populismen", sagte der Premier an die Abgeordneten gerichtet.
Wirtschaftsminister Bruno Le Maire warnte bei BFMTV vor einer nationalen Krise. "Wir haben die Gefahr einer Staatskrise", wenn bei den Parlamentswahlen keine klare Mehrheit zustande komme. "Bei den Wahlen am 30. Juni und am 7. Juli geht es um die Zukunft der französischen Nation." Für Le Maire handelt es sich um die "schwerwiegendste Wahl seit 1958". Der Minister rief zur Klarheit und Verteidigung von Grundwerten auf.
Die Liste von Präsident Macron hatte bei der Europawahl eine heftige Schlappe erlitten. Sie kam auf 14,6 Prozent der Stimmen, nicht einmal halb so viele wie der RN, der 31,4 Prozent verzeichnete. Macron rief daraufhin Neuwahlen zur Nationalversammlung aus, die am 30. Juni und 7. Juli stattfinden sollen.