Nicolas Sarkozy in Polizeigewahrsam
Von Danny Leder
Es ist, wie so oft, die kleine, ein wenig lächerliche Angelegenheit, die die große Affäre ins Rollen gebracht hat. Frankreichs Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy, der am Dienstag, zwecks verlängerter Einvernahme durch die Pariser Anti-Korruptions-Behörde, in Polizeigewahrsam genommen wurde, hatte die längste Zeit einen bevorzugten Anwalt, Thierry Herzog. Dieser Anwalt hatte einen aus den Augen verlorenen Schulfreund, Paul Bismuth. Anwalt Herzog kaufte im Vorjahr in Monaco ein Handy, das er unter einem Tarnnamen registrieren ließ – und dabei fiel ihm der Name Bismuth ein.
Das Handy war für Nicolas Sarkozy bestimmt. Der Ex-Präsident glaubte, er sei mit diesem auf einen anderen Namen lautenden Handy vor Abhörungen gefeit. Sarkozy und Herzog besprachen sich auf diesem Handy nach Lust und Laune. Mehrmals war da von "den Bastarden" in der Justiz die Rede. Es ging fast immer um die Erhebungen in den zahllosen Affären, die Sarkozy belasten (siehe unten).
Herzog steckte Sarkozy – streng geheime – Infos aus den Akten der Behörden: das hatte für Sarkozy den Vorteil, über Durchsuchungen und richterliche Fragelisten im Voraus Bescheid zu wissen. Etwa als er im November 2012 in Bordeaux von einem U-Richter vorgeladen wurde, um 12 Stunden lang zur Affäre Bettencourt einvernommen zu werden. Sarkozy stand damals im Verdacht, von der 90-jährigen Milliardärin Liliane Bettencourt illegale Zuwendungen erhalten zu haben. Doch der U-Richter stellte diese Vorerhebung gegen Sarkozy mangels ausreichender Beweise ein.
Woher aber kamen die für Sarkozy so kostbaren Vorauswarnungen? Auch darüber unterhielt sich Sarkozy per Handy mit seinem Anwalt Herzog: der Advokat unterhielt fruchtbare Kontakte mit zwei Staatsanwälten, Gilbert Azibert und Patrick Sassoust. Im Gegenzug ließ Sarkozy seine breit gefächerten Beziehungen zugunsten der beiden Staatsanwälte spielen. Azibert winkte ein hoch dotiertes Amt in Monaco.
Der Privatanwalt Herzog und die beiden Staatsanwälte, Azibert und Sassoust, kamen jetzt, einen Tag vor Sarkozy, unter dem Verdacht der "passiven Bestechung" und "Verletzung des Ermittlungsgeheimnis" in Polizeigewahrsam.
Geld von Gaddafi?
Die Grundlage für diesen nunmehrigen Vorstoß der U-Richter lieferten die Mitschnitte der Gespräche, die mit dem ominösen Handy geführt wurden. Aufmerksam auf dieses Handy wurden wiederum andere U-Richter, die in einer weiteren Affäre gegen Sarkozy ermittelten: und zwar ging es um den Vorwurf, Sarkozy habe für seine Wahlkampagne von 2007 Gelder vom libyschen Diktator Muammar Gaddafi bezogen.
Der Kreis um Sarkozy sieht in diesen laufenden Erhebungen ein von der Linksregierung um Präsident François Hollande gesteuertes Komplott. Der Zeitpunkt sei absichtlich gewählt, zumal Sarkozy zuletzt klargemacht hatte, dass er wieder in die politische Arena einsteigen würde, um bei den Präsidentenwahlen 2017 anzutreten. Auch bereitete sich Sarkozy darauf vor, bei einem außerordentlichen Kongress der konservativen Sammelpartei UMP um den Vorsitz zu ringen.
Der hyperenergische und wortgewaltige Ex-Präsident gilt noch immer bei vielen bürgerlichen Wählern als Hoffnungsträger – vor allem seit dem Durchbruch der Rechtspopulistin Marine Le Pen, die bei den EU-Wahlen auf 25 Prozent der Stimmen kam. "Ich überlasse Frankreich nicht einem Tête-à-Tête zwischen dem Front national und den Sozialisten", beteuerte Sarkozy kürzlich.
Bei seiner Wahlkampagne 2012 wurde die gesetzliche Ausgaben-Obergrenze um mindestens elf Millionen Euro überschritten. Dies sollte durch Rechnungen einer PR-Agentur für fiktive Parteiseminare vertuscht werden. Weitere Millionen aus der Parteikasse der bürgerlichen UMP und aus öffentlichen Parteifördermitteln dürften dabei versickert sein.
Auf Sarkozy lastet der Verdacht, für seine Wahlkampagne 2007 illegale Zuwendungen von der Haupteignerin des Kosmetikkonzerns L’Oréal, Liliane Bettencourt, erhalten zu haben.
Es gibt Ermittlungen wegen des Verdachts, Sarkozy habe für seinen Wahlkampf 2007 Gelder von Gaddafi erhalten.
Erhebungen betreffen einen staatlichen Schiedsspruch in einem Handelskonflikt, der 2008 dem Sarkozy-Freund und Finanzakrobaten Bernard Tapie 405 Millionen Euro einbrachte.
Ein Strafprozess soll die Veruntreuung öffentlicher Gelder klären, die bei einem Waffendeal mit Saudi-Arabien und Pakistan 1993 in Form sogenannter "Retrokommissionen" zugunsten der damaligen Regierungsparteien in Frankreich erfolgte. Sarkozy war als Budgetminister bei dem Deal federführend.
Auffällig sind die kostspieligen Aufträge für Meinungsumfragen unter der Präsidentschaft von Sarkozy, wobei der bevorzugte Meinungsforscher ein rechtsrechter Berater war. Dieser sorgte für einen weiteren Skandal, nachdem bekannt wurde, dass er alle Sitzungen im Präsidentenpalast im Geheimen mitgeschnitten