Francois Hollande als Afrikas Gendarm
Von Danny Leder
Es ist ein Erlebnis, das man auch im deutschen Sprachgebrauch mit dem französischen Wort „Deja-Vu“ (sinngemäß: schon mal erlebt) kennzeichnet. Rund ein halbes Jahrhundert nach der Unabhängigkeit der vormaligen französischen Kolonien scheinen sich Frankreichs militärischen Interventionen in Afrika wie in einer Endlosschleife zu wiederholen, egal wer in Paris am Ruder ist. Bemerkenswert ist jetzt aber die breite Zustimmung vor Ort und auf der Weltbühne.
So als wäre es ein von Präsident Francois Hollande genau berechneter Zeitplan, trafen soeben drei Ereignisse aufeinander: der militärische Einsatz Frankreichs in der Republik Zentralafrika tritt in seine entscheidende Phase, die UNO stimmt für diese Aktion, in Paris versammeln sich 40 afrikanische Staatschefs zu einen Gipfel mit dem Schwerpunktthema Sicherheit.
Massaker zwischen Muslimen und Christen
Tatsächlich aber war der Gipfel schon von langer Hand geplant, während sich der förmliche Zwang für Hollande zu einer Intervention in Zentralafrika erst zuletzt ergab. Zu offensichtlich ist die Not der Stunde und die herannahende Katastrophe, die vielleicht jetzt noch mit vergleichsweise geringem militärischem Aufwand gestoppt werden könnte.
Im März hatte mit dem X-ten Putsch in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui ein neuer Präsident, Michel Djotodia, den vorhergehenden Putschisten abgelöst. Allerdings stützte sich Djotodia auf Milizen von Warlords aus dem vorwiegend muslimischen Norden Zentralafrikas und Söldnern aus den muslimischen Nachbarstaaten. Inzwischen haben diese Milizen durch Plünderungen, Massenvergewaltigungen und Massaker ein Chaos ausgelöst. Über eine halbe Million der insgesamt 4,6 Millionen Einwohner sind aus ihren Dörfern in Urwälder geflüchtet, insgesamt sind 1,5 Millionen Zentralafrikaner von Hungersnot bedroht. Die Opfer sind vorwiegend – aber nicht nur – Angehörige der christlichen Mehrheitsbevölkerung. Christliche Dorfmilizen haben ihrerseits an unbeteiligten muslimischen Zivilisten Vergeltung geübt.
Bischof und Imam vermitteln
Die nächste Stufe ist ein gegenseitiges Massenschlachten in einem Land, in dem die Konfessionen bisher eher gut miteinander auskamen. Der katholische Erzbischof, ein prominenter evangelische Pastor und ein führender Imam touren gemeinsam durchs Land, um zu vermitteln und haben den UN-Sicherheitsrat in einem gemeinsamen Schreiben um rasches Eingreifen angefleht. Und sogar Präsident Djotodia setzt auf die französische Intervention, nachdem er sich nicht mehr gegen die Warlords durchzusetzen vermag, die ihn an die Macht gehievt hatten. In Bangui, so berichten Mitarbeiter humanitärer Organisationen, lautet der meist gehörte Spruch: „Worauf warten die Franzosen?“.
Die Antwort auf diese Frage ist vielschichtig: Frankreichs Armee hat erst zu Jahresbeginn in Mali durch einen Blitzeinsatz die Eroberung dieses Landes durch Dschihadisten-Verbände verhindert. Frankreichs Militärs sind aber dort, entgegen vormaliger Ankündigungen, weiterhin voll im Einsatz um die Rückkehr der Freischärler zu verhindern, weil weder die Armee Malis noch die der Nachbarstaaten derzeit dazu alleine imstande wären. In Zentralafrika wird Paris seine bereits stationierten 450 Soldaten, die bisher nur den Flughafen der Hauptstadt sicherten, um weitere 800 Mann aufstocken – mehr wäre für die französische Armee, die gerade harten Sparmaßnahmen unterworfen wird, nur schwer möglich.
Diese Truppe dürfte strategisch wichtige Zentren und Straßen-Verbindungen wieder sichern, zumal die marodierenden Haufen der Warlords ziemlich unorganisiert und undiszipliniert wirken. Für eine weitergehende Stabilisierung ist Frankreich aber auf die Kooperation mit Truppen afrikanischer Nachbarstaaten angewiesen, die bereits vor Ort stationiert sind, sich bisher aber als ineffektiv erwiesen haben. Der Grund: mangelnde Ausbildung, mangelnde Ausrüstung, nationale Rivalitäten. Der Gipfel in Paris ist auch der Aufstellung einer schlagkräftigen panafrikanischen Sicherheitstruppe gewidmet – ebenfalls ein Daurbrenner solcher Konferenzen.
Bevormundung durch Paris oder Nothilfe?
Darüber hinaus hat der quasi notgedrungene französische Interventionismus eine politisch zwiespältige Wirkung. Neben dem Prestige-Gewinn für Frankreich rückt auch wieder der Vorwurf der Bevormundung der Ex-Kolonien und die Verquickung zwischen korrupten Machthabern in Afrika und französischen Wirtschaftsinteressen in den Blickwinkel der Öffentlichkeit. Dabei ist diese heikle und kostspielige Gendarmenrolle für Frankreich im Endeffekt auch keine Garantie dagegen, dass Konzerne aus den USA, der Türkei und vor allem China an die Stelle französischer Unternehmen treten.
Der ivoresische Journalist und Schriftsteller Venance Konan erklärte in einem Gespräch mit dem Pariser Blatt „Liberation“ die illusionslose Stimmungslage bei einem beträchtlichen Teil der afrikanischen Intellektuellen: „Unsere Staaten sollten mehr unternehmen, um die einfachste Sicherheit selber zu ermöglichen. Ich habe mich geschämt, also ich erlebte wie die Nachbarn Malis monatelang eine Mobilisierung versucht haben, bis dann schließlich Frankreich zu einer Notintervention gezwungen war.“ Und auf die Frage, ob Frankreich bei diesen Einsätzen nicht auch eigene Interessen verfolgen würde, antwortete Konan mit einer Gegenfrage: „Und warum soll Frankreich das alles gratis machen? Vielleicht gibt es ökonomische Motive unter der Oberfläche, aber an der Oberfläche sehe ich, dass Frankreich Mali gerettet hat und jetzt Zentralafrika zur Hilfe eilt, wo doch schon seit Monaten die ganze Welt die Hilferufe aus Zentralafrika hören konnte“.