Camp Lipa: Werden hier Flüchtlinge eingesperrt?
Von Dennis Miskic
Kaum eine bosnische Zeitung hat noch nicht darüber berichtet. Alarmiert schreiben die Journalisten in Großbuchstaben von einem „SKANDAL“ im Nordwesten des Landes. Die Rede ist vom Flüchtlingscamp Lipa nahe der Stadt Bihać.
Bei einem Treffen zwischen dem damaligen bosnischen Sicherheitsminister Selmo Cikotić und Österreichs Innenminister Gerhard Karner im Jahr 2022 sollen die ersten Pläne dafür entstanden sein.
Ebenfalls dabei war Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger und heutiger Direktor des Think-Tanks „International Centre for Migration Policy Development“ (ICMPD). Unter anderem besprachen sie Abschiebungen illegaler Migranten aus Bosnien-Herzegowina.
Im Dezember 2020 war das Lager durch einen Brand völlig zerstört worden. Mit Mitteln überwiegend von der EU sollte das Aufnahmelager für rund 1.500 Personen neu errichtet werden. Österreich hat sich ebenfalls finanziell beteiligt.
Das Innenministerium in Wien bestätigte, dass es für Lipa rund 820.000 Euro an die Internationale Organisation für Migration (IOM) überwiesen hat. Das Lager können die Insassen jederzeit verlassen.
„Falsche Asylwerber“
Auch Ungarns EU-Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi besuchte Bosnien und kündigte mehr Zusammenarbeit im „Kampf gegen illegale Migration“ an. Er verwies auf ein „wichtiges“ und 500.000 Euro teures Projekt: ein Internierungstrakt innerhalb des Aufnahmelagers Lipa. Das Geld dafür solle von der EU-Kommission kommen.
Die Bauarbeiten begannen im Dezember 2022. Die Verantwortung für diese vermeintliche Haftanstalt soll später bei der Ausländerbehörde des bosnischen Sicherheitsministeriums liegen. Das Ziel: „Falsche Asylwerber“ und sogenannte „Gefährder“ in Gewahrsam nehmen.
Und das, bis sie in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können. Migrationsexperten warnen: Das verstoße gegen internationales Recht.
Baugenehmigung fehlt
Lokale bosnische Politiker sprechen sich seit Wochen lautstark gegen das Vorgehen der EU aus. Vor allem der Premierminister des Kantons Una-Sana, Mustafa Ružnić, hält nicht mit Kritik zurück.
Er bekrittelt zudem die fehlende Baugenehmigung. „Was uns am meisten verwirrt hat, war der Aufbau einer Haftanstalt im Camp Lipa, weil das ursprünglich nicht vereinbart worden war“, sagte er kürzlich.
Das ganze Dilemma um die Flüchtlingspolitik auf dem Balkan, inklusive der gewaltsamen Pushbacks – also Menschen direkt an der Grenze zurückzuschicken – fasst er mit einem Satz zusammen: „Wir und die Geflüchteten sind Opfer der internationalen Politik.“
Der bosnische Menschenrechtsminister Sevlid Hurtić äußerte sich zuletzt dazu gegenüber lokalen Medien: „Ich werde nicht zulassen, dass jemand im Lipa-Lager eingesperrt wird. Das neue Objekt ist ein klassisches Gefängnis.“
Mittlerweile ist die Einrichtung fertig. Bis zu zwölf Personen könnten darin festgehalten werden, allerdings nicht länger als jeweils 72 Stunden. Aber in Betrieb ist sie noch nicht.
Die notwendige gesetzliche Grundlage dafür gibt es in Bosnien-Herzegowina nicht, soll aber nun geschaffen werden.
Es liegt also am bosnischen Parlament das fertigzustellen, was in Wien begonnen hat.