Flüchtlinge im Wahlkampf: Schnappatmung in Österreich, Scheuklappen in Deutschland
Wer in Deutschland auf einen maßgeblichen Politiker hofft, der die Mittelmeerroute schließen will, wird lange suchen. Keine Rede ist da von Grenzkontrollen, Obergrenzen, Integrationsproblemen; und wenn die SPD mal einen Landespolitiker sagen lässt, man könne über Lager in Libyen nachdenken, erntet der nur Kopfschütteln.
Über der Grenze ist das anders: Österreich hat die Flüchtlings- zur Gretchenfrage erhoben. Sebastian Kurz kommt bei keinem Auftritt ohne Mittelmeer-Sager aus, die SPÖ spricht zwar von "Vollholler", will aber Panzer am Brenner positionieren, und die FPÖ hat ohnehin Heimspiel. Jeden Tag noch ein Stückchen Flüchtlingskrise. Wie kann das sein?
Enttabuisierte Debatte
Ein Grund ist eben die FPÖ. Sie fungiert seit Haiders Zeiten als Taktgeberin; die deutsche Diskussion sei darum "nicht so enttabuisiert", sagt der Berliner Politologe Wolfgang Merkel. Davon, wie die FPÖ die anderen Parteien vor sich herzutreiben vermochte, kann die AfD nur träumen. Auch weil ihr mediale Unterstützung fehlt: Die Krone sei die "natürliche Verbündete" der FPÖ, sagt der Salzburger Politologe Franz Fallend. Die Bild ist da im Vergleich mehr als moderat.
Angst oder Moral
Die Folgen ? Eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung. Obwohl die Probleme der beiden Länder die selben sind, sehe sich Deutschland als "moralischer Musterschüler", sagt Wolfgang Merkel; die Österreicher hingegen "schätzen die Gefahren der Migration deutlich düsterer ein – sie sind überdurchschnittlich ängstlich", wie Fallend sagt. Bleibt zumindest eine Gewissheit: Fadesse wie in Deutschland wird in Österreich kaum aufkommen.