Politik/Ausland

Fischler fordert "Gleichbehandlung bei Steuern"

KURIER: Herr Fischler, viele Menschen vertrauen der EU nicht mehr. Warum ist das so?

Franz Fischler: Da gibt es viele Gründe: Ein zentraler Grund ist, dass die Politik ein falsches Bild von der EU vermittelt. Man behandelt die EU wie eine Art 29. Mitgliedstaat. Wir brauchen aber endlich wieder mehr Gemeinschaft. Da hätte der Klub der Regierungschefs viel zu tun.

Ist Kommissionspräsident Juncker durch die Steueraffäre in Luxemburg angeschlagen?

Angeschlagen ist übertrieben. Juncker hat keinen Gesetzesbruch begangen, sondern mit der Regierung Luxemburgs die europäischen Gesetze exzessiv ausgelegt. Nach dem Regierungswechsel in Luxemburg versucht man Juncker Steine nachzuwerfen. Auch in Österreicher hat man Mittel und Wege gefunden, ausländische Firmen freundlich zu behandeln.

Wird Lux-Leaks zu neuen EU-Steuerregelungen führen?

Es muss eine Gleichbehandlung bei Steuern geben, das ist eines der Grundprinzipien des Rechtsstaates. Man kann nicht Konzerne, die ohnedies große Wettbewerbsvorteile haben, bevorzugt behandeln. Das ist untragbar. Rückgrat europäischer Wirtschaft sind nicht Konzerne, sondern kleine und mittlere Betriebe. Einer Änderung der Steuer-Richtlinie müssen jedoch alle zustimmen. Briten dafür zu gewinnen wird schwer.

Apropos Briten: Die Mehrheit will austreten?

Wenn man Briten die Folgen der Desintegration vor Augen führt, ist dies das beste Mittel, sie an Bord zu halten.

Sollte die EU die Russland-Sanktionen verschärfen?

Das muss man breiter sehen: Nicht nur Russen, sondern auch wir in der EU haben Fehler gemacht. Jahrzehnte wurde Russland diplomatisch vernachlässigt, intensive Kontakte fehlten. Die Sanktionen muss man daher in Verbindung mit einer großen diplomatischen Offensive sehen. Wegen des zu wenig vorhandenen Dialogs waren sich die Russen nicht sicher, was die EU vorhat. Aus einzelnen EU-Ländern kamen unterschiedliche Botschaften nach Moskau. Ich will Putin nicht entschuldigen, aber die Politik gegenüber Russland war vonseiten der EU nicht vorrangig genug. Vergleichen Sie die Kontakte, die die EU mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan hatte. Da gibt es ein Ungleichgewicht.

Die EU will den Freihandelsvertrag mit den USA bis Ende 2015 fertig verhandeln. Realistisch?

Es geht nicht nur um Schiedsgerichte, sondern um die Standards, und da nicht nur bei Lebensmittel. Da gibt es zwischen der EU und den USA prinzipielle Auffassungsunterschiede. In puncto Sicherheit gibt es in der EU das Vorbeuge-Prinzip, die Amerikaner lehnen das ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Europäer da in die Knie gehen.

Wie soll die EU mit dem radikalen Islam umgehen?

Was den islamischen Fundamentalismus angeht, braucht es ein starkes internationales Durchgreifen. Mit liberalen Muslimen muss man den Dialog aber intensivieren. Hier müssten sich auch die Kirchen stark beteiligen, es gibt in Österreich die Initiative Pro Oriente. Kardinal König hat kurz vor seinem Tod darauf hingewiesen, den Kontakt zum Islam zu verstärken.