Faymann: "Kroatiens Beitritt fördert die Wirtschaft"
KURIER: Herr Bundeskanzler, was bringt der Beitritt Kroatiens der EU und Österreich?
Österreich ist Investor Nummer Eins in Kroatien. Profitiert die Wirtschaft vom Beitritt?
Der Beitritt wird die Wirtschaft fördern, ganz sicher. Kroatien steht aber noch ein längerer Aufholprozess bevor. Das wissen auch die Kroaten. Ich war in Dalmatien und die Menschen, mit denen ich sprach haben eine sehr realistische Einschätzung gehabt. Sie erwarten nicht, dass sich sofort alles ändert. Die Anpassung der Pensionen, der Gehälter, die Industrialisierung, das wird noch Zeit brauchen. Wenn Kroaten mit dem EU-Beitritt aber die Chance für eine bessere Zukunft verbinden, dann ist diese Einschätzung sicher richtig.
Sollte man nicht auch Serbien rascher an die EU heranführen?
Serbien hat einiges gemacht für die Beitrittsperspektive. Ein wichtiger Punkt ist, den Nationalismus zu schwächen. Nationalismus führt immer zu extremer Politik. Die EU-Perspektive ist für Serbien ganz entscheidend, die Beitrittskonferenz ist im Jänner. Von einem EU-Beitritt ist Serbien aber noch weit entfernt. Ein Beitrittsdatum kann man heute noch nicht nennen.
Um Stabilität zu sichern, sollte die EU die Beitritte aller Balkanländer nicht beschleunigen?
Die Integration aller Balkanländer ist unser aller Ziel. Aber zuerst müssen die Länder rechtsstaatlich, politisch und wirtschaftlich noch aufholen. Wir haben gesehen, dass zuletzt Beitrittswerber diese EU-Standards nicht immer erreicht haben. Die Heranführung an das EU-Niveau ist notwendig.
Kroatien zählt zu den beliebtesten Urlaubszielen der Österreicher, etwa 70.000 Kroaten leben in Österreich. Es gibt gemeinsame historische und kulturelle Wurzeln sowie enge wirtschaftliche Beziehungen. Österreicher und Kroaten kennen einander einfach. Am 1. Juli, wenn Kroatien offiziell das 28. Mitglied der EU wird, rücken Österreicher und Kroaten noch enger zusammen: Sie sind EU-Bürger und gehören der europäischen Familie an.
46 Prozent der Österreicher befürworten den Beitritt Kroatiens, das geht aus einer aktuellen Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) hervor, die dem KURIER vorliegt. Allerdings sind auch 29 Prozent der Befragten strikt dagegen, 22 Prozent ist der Beitritt egal und drei Prozent gaben keine Antwort.
„Kroatien ist das Land, dessen EU-Beitritt die Österreicher – im Vergleich zu anderen Beitrittswerbern – mit Abstand am stärksten befürworten“, sagt ÖGfE-Generalsekretär Paul Schmidt.
Am höchsten ist die Zustimmung zum Kroatien-Beitritt in Kärnten (64 Prozent) und im Burgenland (58 Prozent), wo es eine kroatische Minderheit gibt. In Vorarlberg sind es hingegen nur 32 Prozent, die die Aufnahme Kroatiens gutheißen.
Vor zwei Jahren war die Zustimmung zum Kroatien-Beitritt in ganz Österreich laut einer ÖGfE-Umfrage etwas höher, im Jahr 2011 waren 54 Prozent dafür.
Auf die Frage, wie skeptische Österreicher von der Erweiterung überzeugt werden können, antwortet Bundeskanzler Werner Faymann: „In dem man den Menschen die Wahrheit sagt. Friede und Stabilität in unserem gemeinsamen Lebensraum, in dieser Donauregion zu haben, ist für alle von Vorteil.“
In anderen Staaten sind die Zweifel an einer wachsenden Europäischen Union viel größer als in Österreich. Am stärksten sind die Vorbehalte laut „Eurobarometer“ im reichen Deutschland. 74 Prozent der Deutschen sind dagegen, derzeit neue Mitglieder aufzunehmen.