Ein glanzloser Sieg für Juncker
Es war der erwartete Favoritensieg, aber es war kein Triumph: Die Europäische Volkspartei wählte am Freitag Jean-Claude Juncker zu ihrem Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, er ist ihr Kandidat als Präsident für die nächste EU-Kommission. Juncker erhielt 382 Stimmen, Binnenmarktkommissar Michel Barnier 245. Dass 200 Delegierte erst gar nicht wählten und auffallend viele ihrer Plätze bei Junckers Siegesrede leer blieben, passte zur reservierten Stimmung.
Juncker präsentierte sich seinen Parteifreunden als erfahrener Krisen-Manager, verwies auf seine 19 Jahre als Luxemburgs Premierminister und die acht Jahre als Eurogruppen-Vorsitzender: "Ich habe im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten alles getan, um eine Katastrophe zu verhindern."
"Europa im Großen statt im Kleinen"
In seiner Wahlrede kündigte Juncker an, Populisten von Rechts entgegenzutreten: "Aus dem Aufmarsch der Extremisten darf kein Durchmarsch werden." Applaus erntete er für die Forderung, die EU solle sich auf zentrale Projekte konzentrieren, "und sich nicht in den Kochtopf und die Essgewohnheiten der Menschen einmischen", so Juncker: "Zu viel Europa im Kleinen tötet Europa im Großen."
Mit Junckers Kür ist nun der Wahlkampf eröffnet, der sich auf europäischer Ebene auf ein Duell mit Martin Schulz, dem Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, zuspitzen wird. Juncker und Schulz werden in mindestens zwei Fernseh-Debatten Mitte Mai aufeinander treffen, sie werden sich als Vertreter der beiden größten politischen Gruppen ein Duell darum liefern, wer Präsident der nächsten EU-Kommission werden soll.
Doch dass tatsächlich einer der beiden den Job erhält, ist alles andere als fix.
Gibt es einen "lachenden Dritten"?
Die Regierungschefs müssen sich rechtlich nicht an die Spitzenkandidaten halten; einige, u. a. Kanzlerin Merkel, waren von Anfang an gegen diesen "informellen Automatismus". Denn so manches politische Schwergewicht bei den Christlich-Sozialen hätte statt Juncker lieber einen frischeren Kandidaten. Unter amtierenden Regierungschefs und Ministern dürfte es auch Interessenten geben – nur dass die ihr nationales Spitzenamt nicht vor der EU-Wahl und ohne Job-Garantie in Brüssel aufgeben wollen.
Im Hintergrund kursieren daher auch längst Varianten, wie ein Überraschungskandidat zum Kommissionschef werden könnte. Eine Möglichkeit: Juncker könnte neuer Ratsvorsitzender werden, Schulz Außenbeauftragter.