Politik/Ausland

Putins nächste Geisel: 16 Jahre Haft für US-Journalist Gershkovich

Drei Tage lang hat der Prozess gedauert, drei Tage lang musste Evan Gershkovich im Glaskasten sitzen. Ein Bild, das man von anderen Schauprozessen kennt: Alexej Nawalny saß bei seinen vielen Verhandlungen darin, den oppositionellen Wladimir Kara-Murza führt das Regime auch so vor, bevor es sie in ein Lager steckte. 16 Jahre muss Gershkovich, der für das US-Magazin Wall Street Journal arbeitet, jetzt dorthin.

Mit einem echten Prozess hatte das Schauspiel am Gericht in Jekaterinburg  aber nichts zu tun. Mehr als ein Jahr hatte Gershkovich,  US-Staatsbürger mit russischen Wurzeln, auf seinen Prozesstermin gewartet, nachdem er im März vergangenen Jahres wegen angeblicher Spionage inhaftiert worden war. Er hatte in Jekaterinburg für einen Artikel recherchiert, als der FSB ihn aufgriff und ihm Spionage vorwarf – er sei in der Nähe eines Rüstungsunternehmens Uralwagonsawod gewesen, dass angeblich er im Auftrag der CIA habe ausspionieren sollen.

Keine Beweise 

Beweise konnten die Behörden dafür allerdings nie vorlegen, auch im  Prozess nicht. Wie das unabhängige Portal Meduza berichtet, habe bei dem Prozess hinter verschlossenen Türen lediglich ein regionaler Abgeordneter ausgesagt, den Gershkovich vor seiner Verhaftung interviewt hatte.  Der bestätigte nur, dass Gershkovich sich für  Haltung der Russen zur Söldnergruppe Wagner interessiert habe, genauso wie für die Unterstützung der Bevölkerung für Putins Krieg gegen die Ukraine. Auch Fragen nach der Industrie der Region habe er gestellt – für einen Artikel im Wall Street Journal, wie Gershkovichs Arbeitgeber seit seiner Verhaftung unermüdlich sagt.

Gefangenenaustausch

Beobachter  verwunderte das Tempo, mit dem der Prozess vonstattenging. Ein Grund dafür könnte die russische Hoffnung auf einen Gefangenenaustausch sein: Russische Offizielle von Präsident Wladimir Putin an abwärts haben zuletzt immer wieder  Interesse an einem Austausch von Gershkovich gegen im Westen festgehaltene Russen signalisiert, etwa den Berliner Tiergarten-Mörder. Der FSB-Mann Wadim Krassikow hatte 2019  einen  früheren georgisch-tschetschenischen Feldkommandeur  umgebracht, er sitzt lebenslang in Haft; der Kreml verhandelt schon lange über dessen Austausch. 

Dmitrij Peskow, Putins Sprecher, wollte die Frage nach einem Austausch am Freitag nicht beantworten. Das sei ein „sehr, sehr sensibler Bereich. Außenminister Sergej Lawrow hingegen sagte erst vor wenigen Tagen, die Geheimdienste würden prüfen, ob Gershkovich ausgetauscht werden könne. Dass er als Geisel verurteilt wurde, ist offensichtlich – für einen Austausch muss man zuerst verurteilt werden.

Gershkovich, der sich als nicht schuldig bekannte, nahm das Urteil nickend zur Kenntnis. Er winkte noch kurz durch die Glasscheibe, bevor er Richtung Hochsicherheitsgefängnis abgeführt wurde.