Europas ehrgeiziger Klimadeal hat seine erste Delle
Man braucht ein gerütteltes Maß an Verbalakrobatik, um eine Einigung zu verkaufen, die keine Einigung ist. Doch der angekündigte große Wurf der neuen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, der „Green deal“, durfte nicht gleich bei ihrem erstem Gipfel scheitern.
Und so war in den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels der historische Satz zu lesen: Die EU-Staaten einigten sich auf das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050. Aber: Alle heißt – alle bis auf einen. Polen zieht nicht mit.
Dennoch fühlten sich am Freitag in Brüssel alle europäischen Staats- und Regierungschefs ein wenig als Sieger: Die einen, weil sie mit dem ehrgeizigen „Green deal“ den Kampf gegen den Klimawandel aufnehmen. Und Polen, weil es sich ausbedingen konnte, „dass es mehr Zeit braucht“, wie Premier Mateusz Morawiecki sagte.
Polen will mehr Garantien
80 Prozent seiner Energie gewinnt Polen aus Kohle. Aus der Sicht Warschaus ist der völlige Umstieg auf erneuerbare Energieträger binnen 30 Jahren nicht möglich. Es sei denn – und daran hakte es beim Gipfel in Brüssel – Polen erhalte umfassende, finanzielle Hilfen aus Brüssel.
Bis Juni soll Polen nun Zeit bekommen, um endgültig beim „Green deal“ mitzuziehen. Sei es durch konkretere Finanzgarantien. Sei es wegen des wohl wachsenden, europäischen Drucks auf das Land.
Und zumindest aus österreichischer Sicht hat der Deal einen weiteren Schönheitsfehler: Bei der Abkehr von fossiler Energie werden sich einige europäische Staaten massiv der Atomenergie zuwenden. So hat Tschechiens Premier Babis etwa angekündigt, den Anteil der nuklearen Energie im Land von derzeit einem Drittel auf die Hälfte zu steigern.
Die 15 EU-Staaten mit Kernkraftwerken haben sich mit einem Argument gegen den Widerstand Österreichs und Luxemburgs durchgesetzt: Bei der Gewinnung von Atomstrom entstünden keine Treibhausgase.
Trotz des Widerstands aus Polen ist beim Gipfel der Startschuss für das bisher weltweit größte Maßnahmenpaket im Kampf gegen den Klimawandel gefallen. Im März will die Kommission erste Gesetze vorlegen. Das Kernstück des „Green deal“ dürfte aber erste Mitte 2021 kommen – mit einer Reform des Emissionshandels.
Vereinfacht gesagt: Wer mehr Treibhausgase ausstößt, muss auch mehr zahlen. Erstmals wird dann auch der Schiffsverkehr einbezogen, auch der Luftverkehr soll stärker zu Kasse gebeten werden. Letzterer muss derzeit nur 15 Prozent seines Treibhausgas-Ausstoßes bezahlen. Ob auch der Straßenverkehr einbezogen wird, steht noch nicht fest.