Europarat kritisiert Österreichs Umgang mit Flüchtlingen
Mit deutlichen Worten kritisiert die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatovic, die Aufnahme und die Bedingungen von Flüchtlingen in Österreich. Wobei sie in ihrem am Donnerstag präsentierten Bericht festhält: Die Lebensbedingungen variierten von einem Aufnahmezentrum zum anderen, es gebe Unterschiede zwischen den bundes- und landesbetreuten Einrichtungen.
Besonders ins Auge stach der Kommissarin offenbar während ihres Besuches im vergangenen Dezember das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen. Es sei "überfüllt", Menschen müssten dort zu lange bleiben. Das Erstaufnahmezentrum sei nur für Kurzaufenthalte konzipiert, es verfüge über keine ausreichenden oder angemessenen Bildungs- und Freizeitaktivitäten. Das sei besonders für Kinder und unbegleitete Jugendliche problematisch.
Die Kommissarin empfiehlt der österreichischen Regierung deshalb die Harmonisierung der Standards in allen Betreuungszentren im Land, um "diese Mängel mit Blick auf vulnerable Personen und im Speziellen unbegleitete Kinder zu beheben".
Verbotene Push-backs
Nachgegangen wird im Bericht des Europarates auch den "glaubwürdigen Behauptungen von Push-backs" - also verbotenen Zurückweisungen von Migranten und Flüchtlingen an den österreichischen Grenzen zu Ungarn und der Slowakei. "Das deutet auf die Existenz einer etablierten Praxis hin", heißt es. "Diese Praxis muss aufhören", stellt Kommissarin Mijatovic fest.
Die Regierung weist in einer schriftlichen, dem KURIER vorliegenden Stellungnahme zum Bericht allerdings alle diesbezüglichen Vorwürfe zurück: "Eine interne Untersuchung der berichteten Vorfälle hat ergeben, dass es kein Fehlverhalten der Beamten gegeben hat."
Verbesserungen mahnt der Bericht des Europarates auch bei der Kooperation der Regierung mit NGOs und der zur Verfügungstellung "guter und unabhängiger rechtlicher Beratung" der Asylsuchenden an. Zudem sollten Personen mit subsidiärem Schutz schneller eine langfristige Aufenhaltsdauer erhalten und die Familienzusammenführung erleichtert werden.
"Sehr besorgt" äußert sich die Menschenrechtskommissarin zudem angesichts "des hohen Ausmaßes verschiedenster Formen von Gewalt gegen Frauen" in Österreich.
Allein im Vorjahr wurden 31 Frauen ermordet, heuer bereits 9 Fälle von Femiziden gemeldet. Dazu kommen seit Jahresbeginn weitere 16 mutmaßliche Mordversuche bzw. schwere Gewalt durch (Ex-)Partner oder Familienmitglieder oder durch Personen mit Naheverhältnis zum Opfer.
Resolute Maßnahmen im Bereich der Polizeiarbeit, der Justiz und des Opferschutzes seien nötig, urgiert Dunja Mijatovic. Sie empfiehlt deshalb, "die Budgets für den Kampf gegen alle Formen der Gewalt gegen Frauen signifikant anzuheben."
Kiritisiert wird schließlich auch die große Lohnkluft zwischen Frauen und Männern in Österreich. Der Bericht empfiehlt außerdem besseren Zugang zu guter Kinderbetreuung und die Erleichterung für Frauen, wenn sie nach der Karenz wieder in das Berzufsleben eintreten.
Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg ist gemeinsam mit seinem Gerichtshof für die Wahrung der Menschenrechte in den 46 Mitgliedsstaaten zuständig. Russland ist einen Tag nach Kriegsbeginn am 24. Februar freiwillig ausgetreten. Trotz des russischen Austritts hat auch noch das Ministerkomitee der übrigen Staaten des Europarats Russland nach 26 Jahren Mitgliedschaft offiziell vor die Tür gesetzt.
Der Europarat ist kein Organ der Europäischen Union.