ÖVP verzichtet auf Europa-Politiker Karas
Wien-Brüssel: Zwei Orte, zwei wichtig Treffen. In der Bundeshauptstadt startet am Donnerstag die erste Runde der Koalitionsverhandlungen zu Europa und Außenpolitik. In der EU-Zentrale befassen sich die EU-Granden über die Zukunft Europas.
In Wien verhandeln Klubchef Josef Cap und EU-Parlamentarier Jörg Leichtfried (beide SPÖ) mit ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka sowie EU-Abgeordneter und Bauernbund-Funktionärin Elisabeth Köstinger.
Europa-Experten wundern sich, warum im ÖVP-Team nicht Othmar Karas sitzt, der bekannte und einflussreiche Vizepräsident des Europäischen Parlaments.
Die Verhandlungen über die künftige EU- und Außenpolitik sind insofern wichtig, weil sie auch den Stellenwert und die Positionierung Österreichs in Europa-Fragen festlegen. „Jeder Minister ist europäischer Gesetzgeber im Rat“, betont Karas. Außerdem rät er, in jedem Kapital der Koalitionsverhandlungen „die konkrete Umsetzung europäischer Vorgaben und Ziele festzuschreiben“.
Im Übrigen wird es beim EU-Herbstgipfel genau darum gehen, wie Länder die Empfehlungen der EU-Kommission zur Einhaltung fiskal- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen umsetzen. „Ungenügend“, wie eine Kommissionsstatistik, die dem KURIER vorliegt, zeigt.
Nur 15 Prozent der Vorgaben in den Länderbeurteilungen der Kommission werden umgesetzt. Deswegen auch der Vorstoß von Bundeskanzlerin Angela Merkel für mehr Disziplin und neue Verträge der Länder mit Brüssel.
Diese Pläne stoßen bei Bundeskanzler Werner Faymann auf wenig Gegenliebe. „Niemand kann akzeptieren, dass wir die Vorschläge der Kommission 1:1 übernehmen“, sagte Faymann am Mittwoch im Hauptausschuss des Nationalrates. Er hält auch nichts von der Merkel-Idee eines eigenen Budgets der Euro-Gruppe. „Dem können wir nichts abgewinnen“, erklärte Faymann.
Beim Gipfel wird es eine heftige Debatte zu Merkels Vorstoß geben. Auch das Europa-Parlament hat hier ein Wort mitzureden. Karas betont, dass zur Beurteilung der Budget- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedsländer künftig nicht nur ökonomische Kriterien gelten dürfen, sondern auch soziale Kennziffern wie Arbeitslosenrate, Haushaltseinkommen oder Armutsquote. Karas: „Die EU muss auch eine Sozialunion werden.“
Die österreichische Diplomatin und Türkei-Expertin Heidemaria Gürer könnte EU-Botschafterin in Ankara werden. EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton besetzt diesen strategisch wichtigen Posten neu, Gürer hat sich beworben. In Brüssel heißt es, dass sie ausgezeichnet qualifiziert sei und gute Chancen habe. Gelänge Gürer der Karrieresprung hätte Österreich drei Top-Posten im Europäischen Diplomatischen Dienst. Dietmar Schweisgut ist EU-Botschafter in Tokio, Thomas Mayr-Harting vertritt die EU bei der UNO in New York.