Politik/Ausland

"Europa verhält sich gegenüber China nicht unterwürfig"

Die Krise erst leugnen, dann mit Propagandabotschaften vorpreschen: Chinas Umgang mit der Corona-Pandemie hat die Beziehungen zu Europa nicht gerade verbessert. Dabei hätte 2020 ein ambitioniertes Jahr werden sollen, in der nicht ganz friktionsfreien Stimmungslage zwischen China und Europäischer Union:

Ein großer EU-China-Gipfel war für September in Leipzig  geplant. Und als  krönender Jahresabschluss wurde ein Abkommen angepeilt, das europäischen Unternehmen viel bessere Rechte in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt geben soll.

Wegen Corona wackelt jetzt der Gipfel. Und die Gespräche für das  Investitionsabkommen mühen sich auch „nur im Schneckentempo“ voran, sagt Reinhard Bütikofer. Ganz will der Vorsitzende der China-Delegation im EU-Parlament die Aussicht auf einen Durchbruch noch heuer nicht ausschließen.

Doch „der Weg ist sehr weit“, gibt der grüne EU-Abgeordnete aus Deutschland gegenüber dem KURIER zu bedenken;  und die ohnehin angespannte Stimmung  zwischen China und Europa  hat sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie auch nicht  gerade gebessert.

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Schon im Vorjahr machte die EU erstmals klar, wie man das zum  Wirtschaftsriesen aufgestiegene Reich der Mitte sieht: Auch als „systemischen Rivalen“.  „Unsere Märkte  in Europa sind für chinesische Investoren außerordentlich offen und transparent. Aber in China ist das Gegenteil der Fall. Das ist so unfair, dass wir kein Abkommen schließen werden, das  diese schiefe Ebene zementiert“, sagt Bütikofer.

Und noch eine in China gängige Praxis macht den Europäern das wirtschaftliche (Über-)Leben schwer: Die üppigen Subventionen für Chinas Staatsbetriebe.

Aus Sicht der EU verzerren sie den Wettbewerb, denn europäische Firmen haben (außer in Corona-Zeiten) keine Möglichkeit, mit Staatsgeldern ihre Unternehmen aufzupeppen oder zu retten.

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„Staatschef  Xi Jinping verfolgt eine nationalistische Wirtschaftspolitik, die auf eine Stärkung der großen Staatsunternehmen hinausläuft, welche von der KP kontrolliert werden“, sagt Bütikofer. Alles in allem „unfaire Praktiken“, die Chinas wirtschaftlichen Aufstieg stützten – zu Lasten seiner globalen Wettbewerber.

"Ein windelweicher Brief"

Umso bitterer empfand da  Bütikofer, dass sich jüngst Europas Botschafter in Peking  von China zensurieren ließ. Peking setzte durch: Der Satz, wonach das Corona-Virus seinen Ursprung in China habe, müsse aus dem  Text des Botschafters verschwinden. „Dieser windelweiche Brief war ein Skandal“, empört sich der Chef der China-Delegation im EU-Parlament, „aber das ist nicht die Position der EU. Europa verhält sich gegenüber China nicht unterwürfig.“ 

Doch er gibt auch zu Bedenken: Nicht alle EU-Staaten würden die kritische Grundhaltung gegenüber China aktiv zeigen.

Keine klare Stellungnahme aus Österreich

Und auch aus Österreichs Außenministerium vermisst Bütikofer das „Beziehen einer klaren  Position: Ich würde mich zum Beispiel freuen, wenn  Österreich klar sagt, dass Taiwan in der WHO  wieder Beobachterstatus bekommt. Oder wenn es klar Stellung bezieht, zu den unerträglichen Repressionsmaßnahmen in Hongkong – oder zur Ausbeutung Zehntausender uigurischer Zwangsarbeiter.“

Es komme darauf an, sagt Bütikofer, „dass nicht allzu viele Staaten in der EU immer nur darauf schauen,  hinter welchem anderen Rücken sie sich vor China verstecken können.“

Die Sorge aber, dass China nach der Corona-Krise beginnt, marode gewordene Firmen billig aufzukaufen, teilen die meisten europäischen Staaten.

Ein Fall wie jener des deutschen Roboterbauers Kuka soll sich nicht wiederholen: Das chinesische Privatunternehmen Midea übernahm 2016 den deutschen Herzeigebetrieb – aber auf  staatliches Drängen und staatlich finanziert.  Dahinter stehe die chinesische Wirtschaftsstrategie „made in China 2025“, führt Bütikofer aus. „Diese Strategie  zielt nicht nur darauf ab, in allen modernen Technologien an die Weltspitze vorzudringen, sondern auch die internationalen Konkurrenten zu verdrängen.“

In 14 EU-Staaten gibt es derzeit eine Art Notbremsmechanismus. Damit kann verhindert werden, dass ausländische Investoren sich zum Schaden der öffentlichen Ordnung oder nationaler Sicherheit einkaufen.

Im Oktober tritt eine neue – unter österreichischem Ratsvorsitz ausgehandelte –  Regulierung in Kraft: Dabei können alle EU-Staaten und die Kommission zusammenarbeiten, Informationen austauschen und sich untereinander beraten. Bütikofer: „Wobei die Letztentscheidung, was erlaubt wird und was nicht, bei den einzelnen Ländern bleibt.“

Europa müsse darauf achten, dass „unsere Industrie nicht von China abhängig gemacht wird“, sagt der EU-Abgeordnete und verweist auf das Beispiel des Telekommunikationsriesen Huawei: „Zusammen mit offiziellen chinesischen Stellen bemüht sich Huawei, in der internationalen Telekommunikationsunion neue, internationale Standards für das Internet durchzusetzen, die die Möglichkeit der Zensur des Internets durch den Staat zur Norm machen würden. Wenn man von so was abhängig ist, kann das zu weitreichenden Freiheitseinschränkungen führen. Und ich glaube, daran haben wir kein Interesse.“