Politik/Ausland

Europa auf der Suche nach Gas

Bei Barack Obamas Besuch heute, Mittwoch, bei den EU-Spitzen in Brüssel steht die Ukraine im Mittelpunkt. Neben der Frage, wie Europa und die USA gemeinsam auf das Vorgehen Russlands antworten sollen, geht es auch um die energiepolitischen Folgen der Krim-Krise.

Die Entwicklungen der vergangenen Wochen haben in Europa die Diskussion neu angefacht, wie man sich unabhängiger machen kann von den Gaslieferungen aus Russland. Einige osteuropäische Länder beziehen ihre Versorgung fast zur Gänze vom russischen Monopolisten Gazprom; Österreichs Energiebedarf wird zur Hälfte von Russland gedeckt.

Chance für Fracking?

Als ein Schritt zu mehr Unabhängigkeit gilt in Brüssel die Vollendung des Energie-Binnenmarkts: Ab 2015 soll Energie ohne Barrieren und zu niedrigeren Preisen zwischen den EU-Staaten ausgetauscht werden.

Energiekommissar Günther Oettinger fordert angesichts der Spannungen mit Russland auch, dem umstrittenen Fracking zur Förderung von Schiefergas eine neue Chance zu geben. "Wir sollten das Thema Fracking nicht vorschnell unseren Vorurteilen opfern", sagte Oettinger der Rheinischen Post. Mit Fracking könnten EU-Staaten die Abhängigkeit von Russland "auf Jahrzehnte verringern".

US-Gas als Alternative

Doch all das ist Zukunftsmusik. Beim EU-US-Gipfel soll daher besprochen werden, ob die USA Russland als Gaslieferant zumindest teilweise ersetzen könnten. Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei haben bereits beim US-Kongress um Gas-Ausfuhrlizenzen angefragt. Doch US-Gas in die EU zu liefern, sei kurzfristig unmöglich, behauptet ein Experte des Washingtoner Thinktanks Brookings. "Das klingt wie eine gute Idee, es gibt aber viele Hindernisse", sagt Charles Ebinger, Direktor der Initiative zur Energiesicherheit bei Brookings, zum KURIER. Als erstes müsste man eine Export-Lizenz vom US-Energieministerium einholen. Bei Ländern, die kein Freihandelsabkommen mit Washington haben, muss man nachweisen, dass die Exporte dem nationalen Interesse, sprich: der Zahlungsbilanz dienen und US-Sicherheitsbedürfnissen entsprechen. Auch Umweltverträglichkeitsprüfungen gilt es zu bestehen.

Dieser Prozess könne nicht nur bis zu vier Jahre dauern, sondern sei auch teuer. "Das erste Gasexportvorhaben, dass Ende 2015 oder Anfang 2016 starten soll, hat umgerechnet etwa 73 Millionen Euro allein für die Erfüllung der regulatorischen Richtlinien gekostet", sagt Ebinger. Dabei geht es um einer LNG-Anlage, von der man zum ersten Mal flüssiges Gas aus den USA exportieren wird. Etwa die Hälfte der Exportmenge geht in die EU und kann auf dem Binnenmarkt weiterverkauft werden.

Langfristige Planung

Der durchschnittliche Preis eines solchen Projekts läge bei über sieben Milliarden Euro. Um eine teure LNG-Anlage zu errichten, müssen die Betreiber im Voraus die Exportmengen vertraglich sichern, damit sie den Bau finanzieren können. Das bedeute auch, dass neue Käufer nicht in letzter Minute einsteigen können. Auch wenn man den administrativen Prozess beschleunigen würde, könne man also in Europa kurzfristig kein Gas aus den USA bekommen.

Insbesondere für Länder wie Deutschland und Frankreich wäre es daher besser, meint Ebinger, die eigene Politik gegenüber Schiefergas und Fracking zu überdenken. Denn für US-Firmen sei es profitabler, Gas nach Asien zu verkaufen, wo deutlich höhere Preise zu erzielen sind als in Europa.

Bei den neusten Bemühungen über Gasimporte aus den USA gehe es den Europäern auch nicht so sehr um den Rohstoff als um ein politische Signal nach Russland. "Es geht uns um die symbolische Wirkung, dass uns nächstes Jahr Gas aus den USA zur Verfügung steht", sagt ein EU-Diplomat in Washington zum KURIER.

Nächste Woche findet im US-Repräsentantenhaus eine Anhörung zum Thema Gas-Exporte in die EU mit Hinblick auf der Krise in der Ukraine statt. Dem Kongress liegen bereits Gesetzesentwürfe vor, wie man die Exporte erleichtern kann – auch ohne ein Freihandelsabkommen mit der EU.

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