Politik/Ausland

EU verbarrikadiert sich an ihrer Grenze nach Osten

Alles drehte sich beim EU-Gipfel der Östlichen Partnerschaft um Russland, stummer Gast am Konferenztisch war Wladimir Putin, der starke Mann in Moskau. Nach der x-ten Wortmeldung platzte einem Regierungschef eines sehr kleinen Mitgliedslandes der Kragen: "Jeder weiß, wer gemeint ist, warum spricht niemand seinen Namen nicht aus, Wladimir Putin heißt die Person, um die es geht", rief der konservative Politiker in die Runde.

Genau um Putin und seine "aggressive Politik", die ihm der polnische Ratspräsident Donald Tusk vorwarf, ging es beim Treffen in der lettischen Hauptstadt. Entsprechend intensiv waren auch die Verhandlungen über die Schlusserklärung des Gipfels. Polen und die Balten wollten eine klare Verurteilung Russlands, seiner Annexion der Krim und des Vorgehens in der Ost-Ukraine sowie die Einmischung in Georgien. Weißrussland und Armenien waren strikt dagegen. Nach stundenlangen Verhandlungen wurde der Streit von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel diplomatisch gelöst. Die Formulierung lautet jetzt: "Die territoriale Integrität muss geschützt werden." Damit wurde deutlich, dass der Gipfel die Differenzen zwischen den Ländern, die sich mit der EU verbünden wollen, und jenen, die sich eine größere Nähe zu Russland wünschen, nicht beigelegt hat. "Der Graben wird tiefer", stellte ein lettischer Spitzendiplomat frustriert fest.

Auffällig war, wie offen der innenpolitische Kampf der Ukraine auf der Konferenzbühne in der lettischen Nationalbibliothek ausgetragen wurde. Staatspräsident Petro Poroschenko wollte gegenüber seinem Widersacher in Kiew, Premierminister Arzenij Jazenjuk, triumphieren und mit einigen konkreten Ergebnissen nach Hause kommen, um nicht länger als "politisches Weichei" bezeichnet zu werden.

Weg in die EU blockiert

So setzte sich Poroschenko zum Beispiel dafür ein, das Minsker Abkommen umzudeuten: Die darin festgelegten Auflagen für die Ukraine, der russischen Minderheit im Osten Rechte zu geben und föderale Strukturen aufzubauen, sollten abgeschwächt werden. Davon wollte die Staats- und Regierungschefs, EU-Außenministerin Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn nichts wissen.

Poroschenko blitzte ab. Auch sein Anliegen, eine konkrete Beitrittsperspektive zu erhalten, wurde abgeblockt. "Die EU kann und darf jedoch nicht überfordert werden. Deshalb: Ja, zu intensiver Zusammenarbeit und Unterstützung, aber Nein zu einem EU-Beitritt", sagte Bundeskanzler Werner Faymann. Er hatte ein Vieraugengespräch mit Poroschenko.

Immerhin, ein Geldgeschenk der EU gibt es für die Ukraine. Gegen die drohende Staatspleite bekommt Kiew 1,8 Milliarden Euro.

Die erwünschte Reisefreiheit für Ukrainer und Georgier lässt auf sich warten. Das in Aussicht gestellte Datum Ende 2015 wollte in Riga niemand bestätigen. "Es könnte länger dauern. Die technischen Standards und die Rechtssicherheit seien noch nicht gegeben", hieß es von etlichen Gipfel-Teilnehmern.

Den Gipfel nützte Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras, um erneut auf die prekäre Lage seines Landes hinzuweisen. Konkrete Hilfszusagen gab es nicht. Der Linkspolitiker sprach trotzdem von "positiven Signalen". Nur Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker legte ihm nahe, eine Krawatte zu tragen. Ob er diesem Rat nachkommt, davon kann sich Bundeskanzler Faymann schon bald ein Bild machen. Im Juni will er Tsipras in Athen besuchen.

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Im jüngsten Bericht der Beobachter der OSZE findet sich Bemerkenswertes: In einem Militärspital in Kiew befragten OSZE-Beobachter demnach zwei festgenommene Kämpfer, die aufseiten pro-russischer Milizen in der Ostukraine tätig waren. Festgenommen worden waren sie nahe der Ortschaft Schtschastja direkt an der Frontlinie nördlich von Lugansk, nachdem sie entdeckt, beschossen und verwundet worden waren. Beide gaben bei der Befragung in Abwesenheit ukrainischer Vertreter an, reguläre Angehörige der russischen Streitkräfte zu sein. Sie hätten sich auf einem dreimonatigen Einsatz befunden und seien auch schon zuvor "auf Mission" in der Ukraine gewesen. Die bisherige Spruchart Moskaus lautet, man könne nicht ausschließen, dass aus der Armee ausgeschiedene Soldaten in der Ostukraine kämpften. Dagegen gibt es viele Indizien. Und dem widersprechen die beiden Gefangenen. Laut einem von ihnen gab es einen direkten Befehl von ihrer Einheit für den Einsatz in der Ukraine. Wobei der andere betonte, dass russische Einheiten nicht in der Ukraine kämpften. Die beiden Soldaten gaben an, sich auf einer Aufklärungsmission befunden zu haben. Sie waren bewaffnet, gaben aber an, keinen Befehl für einen Angriff gehabt zu haben.