Briten gefällt die Rolle als Blockierer
Es war Ende Juni 1994: Die österreichische Regierungsspitze nahm erstmals an einem EU-Gipfel auf Korfu teil. Feierlich wurde auf der griechischen Lieblingsinsel der Kaiserin Elisabeth ("Sisi") Österreichs Beitrittsvertrag unterschrieben und damit die EU-Mitgliedschaft mit Anfang 1995 besiegelt.
Auf der "Sisi"-Insel gab es für die Österreicher erstmals auch ein Kennenlernen des Postenschachers in der EU und die Bekanntschaft mit britischen Blockaden.
Der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky erinnert sich, wie der konservative Premier John Major zuerst den christdemokratischen niederländischen Favoriten, den langjährigen Regierungschef Ruud Lubbers, zum Verzicht auf die Nachfolge von Jacques Delors zwang und danach den belgischen Premier Jean-Luc Dehaene verhinderte.
Dass der ruhige und konfliktscheue Santer zum Zug kam, gefiel allerdings nicht nur den Briten, sondern auch anderen großen Ländern, die nach dem starken und ideenreichen Delors einen schwachen Kommissionspräsident wollten. Delors hatte zehn Jahre das Heft in der Hand, diktierte den Regierungen die Agenda und setzte Binnenmarkt und Euro durch, die Säulen der EU.
Was die Briten 1994 praktizierten, wiederholt sich seither bei jeder Bestellung auf höchster Ebene. Einem Ritual gleich sagen die Insel-Politiker ständig "Nein" zu den Personal-Vorstellungen.
2004 pokerten die Briten erneut. Labour-Premier Tony Blair organisierte eine Sperrminorität im Europäischen Rat gegen den liberalen belgischen Premier Guy Verhofstadt, den Deutschlands Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac unbedingt wollten. Quer über die Dinnertafel herrschte der Franzose den Briten an: "Ungeheuerlich. So geht das nicht." Es ging.
Verhofstadts Fehler in den Augen der Briten war, dass er einen Plan, eine Vision, hatte: Er wollte die Vereinigten Staaten von Europa.
Jean-Claude Juncker wäre damals die Alternative gewesen, doch der Luxemburger lag seinen Wählern im Wort, Ministerpräsident zu bleiben. Junckers Beharren, nicht nach Brüssel zu wechseln, machte 2004 den Weg frei für den Portugiesen José Manuel Barroso. Er muckte nie auf, ließ die Staats- und Regierungschefs schalten und walten. Barroso war brav, so wollten es die Mächtigen, allen voran Angela Merkel. Für sein Wohlverhalten wurde er 2009 mit einer zweiten Amtszeit belohnt.
2014 versuchen die Briten wieder, die Kür des Kandidaten zu verhindern. "Ich werde bis zum Ende dagegen sein – es ist ausgeschlossen, dass ich meine Sicht ändere", sagte Premier David Cameron vor wenigen Tagen.
Wählerwille
Es geht um Jean-Claude Juncker, er war bei der EU-Wahl der siegreichen Europäischen Volkspartei ihr Spitzenkandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten. Was die europäischen Parteien vor der Europa-Wahl den Wählern versprachen, soll jetzt auch eingelöst werden. Juncker nicht zum Kommissionschef zu machen, wäre eine Verhöhnung des Wählerwillens, heißt es in vielen Staatskanzleien. Für Cameron war das aber keine richtige Wahl und Juncker nicht der Spitzenkandidat, ließ er in Gastkommentaren wissen.
Am Ende der Woche soll Juncker bestellt werden. Cameron will sogar eine Abstimmung erzwingen, sollte es keine Bereitschaft zur Suche nach einem Alternativkandidaten geben. Der Lissabon-Vertrag lässt erstmals eine Nominierung mit qualifizierter Mehrheit zu. Bei einer Kampfabstimmung könnten die Briten verlieren, noch fehlt ihnen die Sperrminorität gegen Juncker.