Politik/Ausland

EU-Spitze zeigt erstmals wieder Elan

Emmanuel Macron hatte die Lacher auf seiner Seite. "Wir haben nicht über Griechenland gesprochen, das ist schon mal eine gute Nachricht", zog der junge französische Präsident nach Ende seines ersten Gipfelreffens mit den EU-Staats-und Regierungschefs am Freitag Bilanz. Ein kleines Lächeln entwischte Macron, ehe er sich wieder schweren Themen der vergangenen Tage zuwandte.

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Es lag nicht nur an der Europabegeisterung des neuen französischen Staatschefs, dass dieser Gipfel "im Geist der Zuversicht" verlief, wie es Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel beschrieb. Zum ersten Mal nach Griechenland- und Flüchtlingskrise, nach Brexit-Schock und dem Wahlsieg des Brüssel wenig zugeneigten Donald Trump zeigte die höchste EU-Spitze wieder Einigkeit und Elan.

EU-Gipfel: Der Hype um "Mercron"

"Europa hat sich in einer sehr, sehr guten Verfassung präsentiert", resümierte auch Österreichs Bundeskanzler Christian Kern die Ergebnisse des EU-Gipfels. Zwar gab es keine bahnbrechenden neuen Maßnahmen, doch in ungewohnter Geschlossenheit trieben die EU-Granden alle laufenden Vorhaben voran. Eine entscheidende Kursänderung nach Monaten, wo so mancher Politiker den Zerfall der EU befürchtet hatte.

EU- Verteidigung

Ein Vorankommen gab es etwa bei der geplante europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion: Ein gemeinsamer Fonds wird aufgelegt, künftig sollen die EU-Staaten bei der gemeinsamen Anschaffung ihrer Rüstungsgüter Milliarden sparen. Die Grundlagen für eine engere und flexiblere militärische Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten wurden geschaffen. Österreich wird sich nur einklinken, so weit es seine Neutralität zulässt, versichert Kanzler Kern.

Grünes Licht gab man für die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland um sechs Monate. Und geschlossen bekannten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auch dazu, das Pariser Abkommen zum Klimawandel umzusetzen.

Selbst das größte Konfliktthema der EU – die Migrationsfrage – wurde weitgehend zwistfrei abgespult. Der Trick dabei war allerdings, den Streit um die innereuropäische Umsiedlung von Flüchtlingen gar nicht auf die Gipfelagenda zu setzen. Denn von Seiten Ungarns, Polens und Tschechiens gibt es kein Entgegenkommen: Flüchtlinge aus Italien und Griechenland, wie es die EU-Kommission verlangt, wollen die drei Staaten nicht aufnehmen.

Mittelmeer-Route

Und so konzentrierten sich die EU-Staats-und Regierungschefs auf Maßnahmen, die außerhalb der EU ansetzen und helfen sollen, die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer nach Italien einzubremsen. Es gebe bereits Fortschritte, sagt Kanzler Kern. So sei die Zahl der Migranten, die von Niger nach Libyen kommen, heuer bereits stark reduziert worden. Die libysche Grenz- und Küstenwache wird mit EU-Hilfe weiter verstärkt, die Kooperation der EU mit den afrikanischen Herkunftsländern ausgebaut, die freiwillige Rückführung von Migranten dorthin forciert. Kein Thema war beim Gipfel hingegen die Forderung nach der Errichtung von Aufnahmezentren für Migranten in nordafrikanischen Staaten.

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Und einig reagierten die EU-Staatenlenker auch gegenüber dem Verhandlungsangebot der britischen Premierministerin Theresa May. Bleiberecht für EU-Bürger, die fünf Jahre in Großbritannien gelebt haben, bot May an. Alles darunter sei ja fast eine Kriegserklärung, hieß es dazu am Rande des Gipfels. Und so lautete die einhellig ablehnende Haltung der EU-27 in Richtung London: "unbefriedigend".

In der hitzig geführten Debatte um die von Außenminister Sebastian Kurz geforderte Schließung der Mittelmeerroute erhält dieser nun Schützenhilfe von unerwarteter Seite. Der renommierte britische Migrationsexperte Sir Paul Collier stimmte Kurz jüngst grundsätzlich in seiner Forderung zu, dass der Fluchtweg über das Mittelmeer geschlossen werden müsse. Dieser sei nämlich moralisch nicht zu vertreten, da man Flüchtlingen falsche Hoffnungen machen würde, so der Professor aus Oxford.

Collier kritisierte aber zugleich die Drohung des Außenministers, Ländern, die Flüchtlinge nicht zurücknehmen wollen, Entwicklungsgelder zu streichen. Was es hingegen brauche, seien verstärkte Investitionen in Afrika, damit die Flüchtenden dort Arbeit finden könnten. Gleichzeitig sei "eine legale Route nach Europa" nötig.

Kern bekräftigt Kritik

Während Kurz bei einem Arbeitsgespräch in Graz seine Forderungen erneuerte, kam vom Kanzler neuerlich Widerspruch. Christian Kern meldete sich vom EU-Gipfel mit der Aussage zu Wort, der Außenminister stehe mit seinem Vorhaben, die Mittelmeerroute zu schließen, in Brüssel allein auf weiter Flur. "Der Vorschlag schwebt hier gar nicht im Raum, aber er schwebt in Österreich im Raum", ließ Kern wissen und machte damit klar, dass von den europäischen Partnern in diesem Unterfangen wenig Verständnis zu erwarten sei.

Einen Vorschlag "nur für die österreichischen Medien und die österreichischen Konsumenten" zu machen, sei daher "keine ernst zu nehmende Politik", so Kern.

Im Mittelmeer geht das Sterben hingegen weiter. Laut neu veröffentlichten Daten sind dieses Jahr bereits mehr als 2000 Menschen beim Versuch der Überfahrt nach Europa ums Leben gekommen.

(Ferdinand Pehamberger)