EU-Kommission: Eine Wackelkandidatin fiel
Jean-Claude Juncker muss seine Kommission noch etwas umstellen, bevor sie ihr Amt antreten kann. Alenka Bratušek, die Vizepräsidentin für den Aufbau der Energie-Union sein hätte sollen, wurde vom Parlament abgelehnt: 112 Abgeordnete stimmten gegen, nur 13 für sie. Die Ausschüsse für Umwelt und Industrie wollten ihr auch nicht die Möglichkeit einer zweiten Anhörung bzw. schriftlicher Nachfragen geben. Bratušek hatte ein schwaches Hearing hingelegt, sie witterte auch eine Intrige aus Laibach: Als slowenische Regierungschefin hatte sie sich noch selbst nominiert, die neue Regierung würde gerne jemand anderen nach Brüssel schicken.
Den ganzen Tag über waren auf Chef-Ebene die Telefone heiß gelaufen: Juncker, Parlamentspräsident Martin Schulz und weitere EU-Granden versuchten, im Parlament eine "Große Koalition" auf Schiene zu bringen, nachdem den Fraktionschefs Gianni Pittella (Sozialdemokraten) und Manfred Weber (Volkspartei) zwischenzeitlich der Prozess zu entgleiten drohte.
Mit Erfolg: Mittwochabend wurden alle (Wackel-)Kandidaten, denen noch die Zustimmung gefehlt hatte, durchgewunken – außer eben Bratušek.
Die Bestellung der Kommission ist diesmal besonders schwierig: Die rot-schwarze Mehrheit im Parlament ist geschrumpft – damit ist noch mehr Disziplin in den Fraktionen gefordert.
Dazu kommt Junckers Neuordnung der Kommission: Er hat die Kommissare in Gruppen eingeteilt, die von einem der Vizepräsidenten koordiniert werden. Das führt dazu, dass die Vizepräsidenten teils breite Portfolios überblicken und im Parlament von mehreren Ausschüssen gehört wurden – je mehr Ausschüsse mitreden, desto schwieriger ist es, eine Mehrheit zu organisieren.
Nachfolger gesucht
Gleichzeitig ist es komplizierter, Personen auszutauschen: Nach Bratušeks Ausscheiden ist nun die Frage, ob den Nachrückern aus Slowenien ihr Vizepräsidenten-Job zugetraut wird. Wenn nicht, muss Juncker sein Team an mehreren Stellen umbauen.
Die Sozialdemokraten haben schon Maros Šefčovič, derzeit als Verkehrskommissar vorgesehen, als neuen Vizepräsidenten für die Energie-Union ins Spiel gebracht. Bei den Christdemokraten wäre Günther Oettinger, in der scheidenden Kommission für Energie zuständig, ein Kandidat. Statt ihm könnte dann die neue Kandidatin aus Slowenien – Juncker will unbedingt eine Frau – das Digital-Ressort übernehmen.
Offen ist, welche Pläne Juncker für Tibor Navracsics hat – er wurde vom Parlament als Kommissar grundsätzlich bestätigt, jedoch nicht für das Ressort Kultur, Bildung und Bürgerrechte.
In ihrem jährlichen Fortschrittsbericht hat die (scheidende) EU-Kommission am Mittwoch vorwiegend schlechte Zeugnisse für die Bemühungen der Beitrittskandidaten verteilt. Vor allem am Kurs der Türkei gab es harte Kritik: Erweiterungskommissar Stefan Füle forderte die türkische Regierung auf, das Justizsystem auf europäische Standards zu bringen – dies sei das Rückgrat für den Beitrittsprozess.
Im Kosovo habe man laut Füle zuletzt zwar große Fortschritte durch das Assoziierungsabkommen mit der EU gemacht. Jetzt müsse man aber wieder aus der „Sackgasse“ herausfinden, in der man sich nach den Wahlen befinde. In Serbien hingegen seien die geplanten Reformen sowie die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo „gut unterwegs“. Bei Bosnien-Herzegowina vermisst die Kommission den „kollektiven politischen Willen, weiter in Richtung EU vorwärtszukommen.“