Politik/Ausland

EU-Gipfel: Künftig wird das Gas in der EU gemeinsam eingekauft

Spätestens der russische Krieg gegen die Ukraine hat Europas Regierungen klar gemacht: Die Abhängigkeit der EU von den russischen Gas-, Öl- und Kohlelieferungen muss enden. Denn mit den täglichen Überweisungen von fast 800 Millionen Euro kann Russland seine Kriegsmaschine weiter finanzieren.

Doch wie schnell und auf welchem Weg dies geschehen soll, darüber gab es beim Gipfel in Brüssel teils heftigen Streit. Polen und die baltischen Staaten drängen auf einen sofortigen Lieferstopp. Dagegen legten sich Österreich, Deutschland, Ungarn und Italien quer.

Für Österreich komme das überhaupt nicht infrage, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer nach dem EU-Gipfel, „das ist, wenn man sich ins linke und rechte Bein gleichzeitig schießen würde“. Bei einer 80-prozentigen Abhängigkeit gehe es darum, mittelfristig mehr Gasanbieter zu definieren.

Und sein deutscher Amtskollege Olaf Scholz schätzt: Es könne noch fünf Jahre dauern, bis die EU-Staaten unabhängig von russischen fossilen Energielieferungen sei.

Derzeit kommen noch rund 40 Prozent des Gases, 27 Prozent der Ölimporte und 46 Prozent der in die EU importierten Kohle aus Russland.

Gas aus den USA

Ein Drittel der derzeitigen Importe soll durch amerikanisches Flüssiggas ersetzt werden. Der von US-Präsident Joe Biden und Kommissionschefin Ursula von der Leyen präsentierte Deal sieht vor, dass die EU allein heuer zusätzlich 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas (LNG) kauft.

Auch beim Vorschlag der EU-Kommission, die Gaseinkäufe gemeinsam zu tätigen, schieden sich gestern lange die Geister. Die Einkäufe tätigten bisher Unternehmen und keine Staaten.

Nun aber soll es anders werden: „Ich begrüße, dass wir unsere gemeinsame Verhandlungskraft nutzen werden“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach dem Gipfel am Freitagabend. „Anstatt uns gegenseitig zu überbieten und die Preise in die Höhe zu treiben, werden wir unsere Nachfrage bündeln.“

Ob sich aber tatsächlich alle Staaten dabei anschließen werden, ist fraglich. Deutschlands Kanzler Scholz beharrte darauf, dass dieser Schritt ein freiwilliger sei. Auch in Zukunft würden privatwirtschaftliche Unternehmen weiter Gas kaufen, sagte Scholz.

Keine Preisdeckel

Angespannt verliefen die Diskussionen auch bei der Frage, wie die gestiegenen Gaspreise eingedämmt werden könnten. Spanien und Portugal dürfen zwar mit einer zeitlichen Befristung einen Preisdeckel für Energiekosten einführen. Österreich, die Niederlande und Deutschland lehnen solch eine Maßnahme ab. Es sei besser, dies den freien Markt regeln zu lassen, hieß es. Denkbar seien dann Ausgleichszahlungen.

Die Länder und die Kommission wollen nun mit Akteuren des Energiesektors erörtern, ob und wie unter anderem Preisobergrenzen oder Steuernachlässe dazu beitragen könnten, den Gaspreis zu senken und seine „Ansteckungswirkung“ auf die Strommärkte zu bekämpfen.

Gleichzeitig fordern die Staats- und Regierungschefs Vorschläge von der Kommission gegen die hohen Strompreise, die die Integrität des Binnenmarkts wahren und Anreize für die Energiewende schaffen.

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Auch beim Thema Gasspeicherung kam es zu Unstimmigkeiten. Die Kommission schlägt vor, dass alle Gasspeicher in Europa bis Anfang November zu 80 Prozent gefüllt sein müssen. Länder mit großen Gasspeichern sollen dabei für Staaten einspringen, die über weniger Speicherkapazitäten verfügen.

Für Österreich würden dadurch höhere Kosten entstehen. Zudem gehören einige der Gasspeicher in Österreich dem russischen Energieriesen Gazprom. Bundeskanzler Nehammer beharrt: „Wenn wir gemeinsam viel Gas einspeichern sollen, dann braucht es eine Lastenverteilung.“