EU-Gipfel in Granada: Orbán legt sich bei Migration wieder einmal quer
Von Konrad Kramar
Viktor Orbán tanzt der EU bekanntlich gerne auf der Nase herum – auch bei diesem Gipfel im südspanischen Granada. Wieder einmal wurde über Migration gestritten und Orbán legte sich gemeinsam mit seinem angestammten Verbündeten, dem polnischen Premier Mateusz Morawiecki, quer.
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Überstimmt - Revanche
Vor einer Woche hatte sich die Mehrheit der EU-Staaten endlich auf die Grundzüge eines gemeinsamen Maßnahmenpakets für den Umgang mit Asyl- und Migration geeinigt. Ungarn und Polen, die dabei überstimmt worden waren, revanchierten sich jetzt, indem sie eine gemeinsame Erklärung zum Thema Migration in Granada verhinderten.
"Vergewaltigt"
Orbán hatte sich schon zum Auftakt des Treffens angriffig gezeigt. „Vergewaltigt“ habe die EU sein Land und Polen gleich dazu, meinte er vor der Presse zum Streit um die Migration.
Orbán hat also auch in Granada seine Lieblingsrolle gespielt: Den einsamen Kämpfer gegen die Flüchtlingswelle. Und das, obwohl die EU-Zentrale in Brüssel – wohl nicht ganz zufällig – gerade jetzt ein paar lange eingefrorene Fördermilliarden für Ungarn lockergemacht hatte.
Deutschland verärgert
Entsprechend verärgert reagierte Deutschlands Kanzler Olaf Scholz nach dem „Nein“ der beiden Länder. Der Migrationspakt könne ohnehin „nicht von einzelnen blockiert werden“, meinte er vor der Presse. Er sei aber überzeugt, dass zuletzt auch in der Migrationspolitik „die Regeln für alle gelten“.
Wie umgehen mit Tunesien?
Dass es noch ein gutes Stück Arbeit wird, bis die EU wirklich diese neuen, strengeren Regeln im Kampf gegen die illegale Einwanderung am Start hat, das wurde in Granada wieder einmal klar. Da weiß man nicht, wie man mit Tunesien und seinem zunehmend autoritären Regierungschef umgehen soll, den man als Partner braucht. Da gibt es weiter Uneinigkeit über die Verteilung der Migranten innerhalb der EU, über die Einrichtung der Auffanglager an den EU-Außengrenzen und vieles anderes mehr.
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Zumindest aber wächst die Hoffnung, dass man endlich bei den praktischen Problemen angekommen ist und das endlose Hickhack hinter sich gelassen hat. Deutschlands Kanzler Scholz etwa gab sich betont optimistisch, sprach von den vielen praktischen Fortschritten, die gemacht worden seien.
Viele offene Fragen
Auch beim Thema Erweiterung wollte man in Granada klare Zeichen setzen. Mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij als Gast ging es darum, nicht nur der Ukraine, sondern auch den Ländern auf dem Balkan zumindest eine klare Perspektive für eine EU-Mitgliedschaft zu geben. Schließlich harren die seit Jahrzehnten auf der Warteliste aus.
Milliarden an Fördergeldern
Rasch aber wurde auch in Granada deutlich, wie viele grundsätzliche Fragen diese Erweiterung aufwirft. Von den Milliarden an Förderungen, die ein riesiges Land wie die Ukraine brauchen würde, bis zu einer drohenden Lähmung aller wichtigen EU-Entscheidungen, die ja immer noch Einstimmigkeit benötigen. „Wir müssen uns in Bewegung setzen“, mahnte EU-„Außenminister“ Josep Borrell: „Weil die Ukraine jetzt „von hinten anschiebt, muss sich die Schlange der Beitrittskandidaten vorwärts bewegen – und zwar jetzt. Wir haben keine Zeit.“