Politik/Ausland

EU fährt schwere Geschütze gegen Polen auf

Wie vorgehen gegen ein Mitglied, das wiederholt gegen die gemeinsamen Regeln verstößt und null Einsicht zeigt, den Kurs zu ändern? Seit fast zwei Jahren quält sich die EU mit Blick auf ihr schwieriges Mitglied Polen mit dieser Frage herum.

Morgen, Mittwoch, könnte die EU-Kommission nun mit den schwersten juristischen Geschützen auffahren, die Brüssel zu bieten hat: mit der ersten Stufe des Artikel-7-Verfahrens, wegen seiner potenziell heftigen Folgen auch "die nukleare Option" genannt. Denn in letzter Konsequenz könnte der Führung Warschaus in der EU sogar das Stimmrecht entzogen werden. Doch dass es je so weit kommt, gilt als höchst unwahrscheinlich. Und für die Kommission, die Hüterin der EU-Gesetze, birgt das in Stellung-Bringen ihrer größten Sanktionswaffe selbst erhebliche Risken.

EU-Staaten am Zug

Zwar spielt die Kommission damit den Ball an die EU-Mitgliedsstaaten weiter: Vier Fünftel von ihnen müssen zur Schlussfolgerung kommen, dass Polen "systematisch die Grundwerte der EU" verletzt. Gemeint ist der laufende Radikalumbau des polnischen Justizsystems, über das die rechts-konservative PiS-Regierung offenbar durchgehende Kontrolle erlangen will.

Das wäre, so ist man nicht nur in Brüssel überzeugt, das Ende der unabhängigen Justiz in Polen. Doch allein schon die Zustimmung der großen Mehrheit der EU-Staaten zu einem Strafverfahren zu erzielen, sei "sehr schwer. Es gibt viele Länder, die zögern", sagt der EU-Experte und frühere Spitzendiplomat Stefan Lehne (Carnegie Europe). "Erreicht man das nicht, wäre das eine enorme Blamage." Für die Einführung von Sanktionen müssten überhaupt alle EU-Staaten (minus Polen) zustimmen. Dabei aber macht Ungarn einen Strich durch die Rechnung: Premier Orbán steht stramm zu Polen.

Dessen neuer Premier, Mateusz Morawiecki, reagiert angesichts des Donnergrollens aus Brüssel entsprechend unbeeindruckt: "Polen wird Drohungen mit vorgehaltener Pistole nicht nachgeben", sagte er.