Politik/Ausland

Es war Romneys Nacht

Kaum sind die großen TV-Duelle vorbei, treten in den USA stets die Heerscharen an Spindoctoren der Präsidentschaftskandidaten zusammen, um der öffentlichen Meinung sozusagen noch im Abspann den Eindruck umzuhängen, wer die Debatte gewonnen hat. Doch rund um  Barack Obama mag sich sein Team Mittwoch Nacht noch so sehr bemüht haben: Dass der US-Präsident die erste direkte Konfrontation mit seinem Gegner Mitt Romney gewonnen haben soll, war absolut nicht zu vermitteln.

Obama wirkte streng, und angespannt, gerade so, als wäre er am liebsten woanders. Seine alte Schwäche, die ihm schon in den TV-Debatten vor vier Jahren zu schaffen gemacht hatte, sie war trotz allen Trainings wieder da: Obama agiert ruhig und zurückgelassen, so sehr, dass es schon an Passivität grenzt. Jede Munition, die er gegen seinen bis zum letzten Nebensatz top-vorbereiteten Gegner hätte abfeuern können, ließ Obama seltsamerweise ungenutzt: Die Einwanderungspolitik, die Position gegenüber Frauen und vor allem jene "47-Frage", die Romney zuletzt so viele Sympathien gekostet hatte – all diese Themen, mit denen der Präsident gepunktet hätte, streifte er nicht einmal am Rande. "Wo zum Teufel", ärgerten sich liberale Kommentatoren sofort nach der Debatte, "wo war Obama, wo war er?"

Ohne Vision, aber ohne Patzer

Romney hingegen war die Überraschung der von 50 Millionen amerikanischen Zuschauern verfolgten TV-Nacht: Der Republikaner war angriffslustig, ohne aggressiv zu wirken. Er zeigte Biss, ohne wadelbeißerisch zu sein, wirkte lebendig und offensiv, bestimmte die Themenhoheit und vermittelte den Eindruck, als genieße er die Konfrontation mit Obama. Dass Romney auch in der eineinhalbstündigen Debatte in allen Sachfragen vage blieb und keine Antworten gab - Wie will er die USA aus dem Schuldenloch holen ohne die Steuern zu erhöhen? Wie will er die Gesundheitsreform abschaffen und diese wodurch ersetzen?-  all dies war weniger bedeutsam als die Tatsache, dass der republikanische Multimillionär sich gestern erstmals als ein Kandidat präsentierte, der mit weitgehend gemäßigtem Auftreten und ohne Patzer auch als ein US-Präsident agieren könnte. Mitt Romney hatte seine Chance, und er hat sie genutzt.

Ob sie letztlich wahlentscheidend sein wird, darf bezweifelt werden. Trotz Obamas enttäuschend schwacher Performance war sein Aufritt ohne grobe Patzer und Katastrophen, seine Wähler werden nicht von ihm abspringen, ganz egal, ob der Präsident hätte offensiver agieren können oder nicht.

Zum einen stehen noch zwei weitere TV-Debatten bevor. Und zum anderen  lassen sich Wähler offenbar von Medienauftritten ihrer Politiker weniger beeindrucken als von deren grundsätzlichen Positionen. Laut Umfragen wollten Amerikas Zuseher schon vor der ersten Debatte bei "ihrem" Kandidaten" bleiben, ganz unabhängig davon, was dieser sagt, wie dieser agiert oder ob dessen Körpersprache – wie unübersehbar bei Obama – verrät, dass er sich ganz und gar nicht wohl fühlt.