TV-Duell vor Europa-Wahl: Premiere für Juncker & Co.
Die Kulisse war passend gewählt: In der niederländischen Grenzstadt Maastricht, wo 1992 jener Vertrag unterzeichnet wurden, der aus den Europäischen Gemeinschaften die Europäische Union machte und die Einführung des Euro festlegte, gab es Montagabend einen weiteren – wenn auch deutlich kleineren – Meilenstein in der EU-Geschichte: die erste TV-Konfrontation EU-weiter Spitzenkandidaten für die Europa-Wahl.
Der KURIER berichtete live - hier der Ticker zur Nachlese.
Auf der Bühne: Luxemburgs Ex-Premier Jean-Claude Juncker (Europäische Volkspartei), Parlamentspräsident Martin Schulz (Sozialdemokraten), Belgiens Ex-Regierungschef Guy Verhofstadt (Liberale) sowie die Grüne EU-Abgeordnete Ska Keller. Linke-Spitzenkandidat Alexis Tsipras fehlte – er wollte nicht auf Englisch diskutieren, hieß es beim veranstaltenden Sender Euronews.
Flotte Debatte
Die Rollen waren an diesem Abend klar verteilt: Juncker gab den zurückhaltenden "elder statesman"; Keller positionierte sich als "frische" Kandidatin: "Wollt ihr", fragte sie ins hauptsächlich aus Studenten zusammengesetzte Publikum, "noch mehr vom alten Europa – oder wollt ihr neue Ideen?"
Dominiert wurde die Runde von den temperamentvollen Kandidaten Schulz und Verhofstadt, die sich auch ungefragt zu Wort meldeten und dabei zeitweise kaum zu bremsen waren. Mitunter zur Erheiterung des Publikums: "Mein Vorbild bei der Führung der Kommission wäre Jacques Delors", sagte Verhofstadt. "Der war aber ein Sozialist!", unterbrach ihn Schulz.
Unfreiwillige Lacher erntete Juncker – bei der Frage, ob der Rat der Regierungschefs oder das EU-Parlament mächtiger sei. Seine mit Gekicher quittierte Antwort: "Die Macht haben die Bürger, wenn sie zur Wahl gehen."
Große Auffassungsunterschiede gab es bei der Frage, wie die Union künftig ihre Einwanderungspolitik gestalten solle: "Ich bin dagegen, dass man die Tore öffnet – wir können nicht alles Leid der Welt aufnehmen", sagte Juncker. Verhofstadt sprach sich hingegen für ein legales Einwanderungssystem für Wirtschaftsflüchtlinge nach dem Vorbild der USA, Kanada oder Australien aus. Keller forderte, Flüchtlinge nicht als Last zu sehen und etwa aus Syrien deutlich mehr als bisher aufzunehmen.
50 Prozent Frauen
Wie würden die Kandidaten der nächsten Kommission als Chef(in) ihren Stempel aufdrücken? "Meine Kommission würde zu 50 Prozent aus Frauen bestehen", versprach Verhofstadt. "Ich wäre der erste Kommissionschef, der das Ergebnis einer demokratischen Wahl ist und nicht das Ergebnis eines Hinterzimmer-Deals der Regierungschefs", sagte Schulz.
Einer aus dem Quartett müsse es werden, fand auch Verhofstadt: Sollten die Regierungschefs – was möglich wäre – jemand anders anstatt einen aus der Runde der Spitzenkandidaten als Kommissionschef nominieren, "wäre das das Ende der Europäischen Demokratie".
Am 15. Mai gibt es eine zweite TV-Debatte aller Spitzenkandidaten. Mehr als 20 nationale TV-Anstalten werden sie übertragen, es wird mit 100 Millionen Zusehern gerechnet.
Zweier-DuelleJuncker und Schulz haben sich u.a. schon im französischen Fernsehen duelliert. Am 8. Mai diskutieren sie für ORF und ZDF, am 20. Mai gibt es eine Debatte mit den beiden in der ARD.