Politik/Ausland

Erste deutsche Ministerpräsidentin Heide Simonis tot

Deutschlands erste Regierungschefin eines Bundeslandes ist tot. Die Sozialdemokratin Heide Simonis, bis 2005 Ministerpräsidentin in Schleswig-Holstein, starb nach Angaben von SPD-Landeschefin Serpil Midyatli am Mittwoch, wenige Tage nach ihrem 80. Geburtstag, zu Hause in Kiel.

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Simonis wurde am 19. Mai 1993 in Kiel zur Ministerpräsidentin gewählt. Sie löste Björn Engholm (SPD) ab, der an den Spätfolgen des Barschel-Skandals von 1987 gescheitert war. Zunächst führte Simonis eine SPD-Alleinregierung, von 1996 bis 2005 dann eine rot-grüne Koalition.

Ihre politische Karriere endete spektakulär: Bei der Ministerpräsidentenwahl am 17. März 2005 verweigerte ihr ein Abweichler in vier Durchgängen die Stimme; daran scheiterte ihre Wiederwahl im Landtag. Simonis wollte damals nach einer knapp ausgegangenen Landtagswahl mit einer rot-grünen Minderheitsregierung weiterregieren - unterstützt vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der Partei der dänischen Minderheit.

Simonis' Wiederwahl wurde verhindert

Nachdem dies scheiterte, übernahm der damalige CDU-Landesvorsitzende Peter Harry Carstensen an der Spitze einer großen Koalition mit der SPD das Ruder in Kiel. Wer Simonis' Wiederwahl verhinderte, ist bis heute unklar - die Abstimmungen waren geheim.

Die gebürtige Bonnerin Simonis hatte nach dem Studium in Erlangen, Nürnberg und Kiel 1967 in der Förde-Stadt ihr Examen als Diplom-Volkswirtin gemacht. 1969 trat sie in die SPD ein, für die sie 1971 in die Kieler Ratsversammlung gewählt wurde. 1976 rückte Simonis in den Bundestag, wo sie später Fraktionssprecherin im Haushaltsausschuss wurde. 1988 holte Engholm sie als Finanzministerin ins Kieler Kabinett.

Simonis führte 12 Jahre lang die Landesregierung

Von 1993 an führte die selbstbewusste Politikerin zwölf Jahre lang die Landesregierung, der bis 1998 auch der spätere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück als Wirtschaftsminister angehörte. Mit oft pointierten Äußerungen zu diversen politischen Themen sorgte Simonis häufig für Aufmerksamkeit in den Medien, eckte damit gelegentlich aber auch bei der eigenen Parteiführung an.

Nach ihrem Sturz als Ministerpräsidentin 2005 übernahm Simonis den ehrenamtlichen Vorsitz des Kinderhilfswerks Unicef Deutschland. Anfang 2008 quittierte sie diesen Posten. Am 30. Juni 2014 verlieh Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) Simonis die Ehrenbürgerwürde des Landes Schleswig-Holstein.

Sie wurde damit als erste Frau ausgezeichnet. In den letzten Jahren litt Simonis zunehmend unter einer Parkinson-Erkrankung. Aus Anlass ihres 75. Geburtstags (4. Juli 2018) wurde sie von der SPD mit der Willy-Brandt-Medaille geehrt.

Bedeutende Fürsprecherin für soziale Gerechtigkeit

Politiker und Parteien reagierten mit Trauer und großem Respekt auf die Todesnachricht. Die SPD-Parteispitze würdigte Simonis als bedeutende Fürsprecherin für soziale Gerechtigkeit in Deutschland. "Mit Heide Simonis verliert die Sozialdemokratie eine bedeutende Persönlichkeit, die Geschichte geschrieben hat", erklärten die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte, "ich trauere um eine große Politikerin und um eine leidenschaftliche Schleswig-Holsteinerin". Der Regierungschef sprach der Familie sein tief empfundenes Mitgefühl aus. Heide Simonis habe mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Engagement, ihrer Menschlichkeit und ihrer Geradlinigkeit Schleswig-Holstein noch liebenswerter gemacht, sagte Günther.

Eine außerordentliche Sozialdemokratin

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki würdigte Simonis als eine starke Persönlichkeit, eine große Ministerpräsidentin, eine außerordentliche Sozialdemokratin und eine Freundin. Sie habe mit ihrer langjährigen politischen Arbeit Schleswig-Holstein geprägt und das Gewicht des Landes in der Bundespolitik deutlich vergrößert.

Mit Heide Simonis hat Schleswig-Holstein nach Ansicht der stellvertretenden Ministerpräsidentin Monika Heinold (Grüne) eine engagierte Sozialdemokratin verloren. "Als erste Ministerpräsidentin in Deutschland hat sie vielen Frauen Mut gemacht, Führungsverantwortung einzufordern und zu übernehmen", sagte Heinold. Sie erinnere sich gerne an die gemeinsame Zusammenarbeit in neun Jahren rot-grüner Koalition. "Heide hätte es verdient, ihren wohlverdienten Ruhestand länger und gesünder genießen zu können."