Politik/Ausland

Erdoğan besucht Scholz, während 65 Deutsche in der Türkei in Haft sitzen

Während der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Freitag das erste Mal seit drei Jahren nach Deutschland reist und neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier trifft, dürfen mindestens 65 deutsche Staatsbürger die Türkei wegen Ausreisesperren derzeit nicht verlassen.

Allein im laufenden Jahr wurden 16 neue Fälle bekannt, die im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen stehen. Das geht aus einer Antwort der deutschen Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage hervor. Drei Ausreisesperren im laufenden Jahr seien wieder aufgehoben worden. Aktuell sind demnach 62 deutsche Staatsangehörige in türkischer Haft.

Inhaftierungen und Ausreisesperren sind immer wieder Thema zwischen Deutschland und der Türkei. Die Bundesregierung erfasst nach eigenen Angaben seit Mitte 2022 auch Einreisesperren von Deutschen in die Türkei. Für das laufende Jahr seien 43 Fälle bekannt, in denen die Einreise verweigert wurde, hieß es in der Antwort. Die Hintergründe seien nicht bekannt.

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Das Bundeskriminalamt (BKA) habe heuer bis Ende September zudem 238 Interpol-Fahndungsersuche zur Festnahme erhalten. Zu welchem Ergebnis die Bearbeitungen kamen oder welchen Hintergrund sie haben, geht aus der Antwort nicht hervor.

Kritik an Zeitpunkt angesichts Erdoğans Unterstützung für Hamas

Die Außenpolitikerin Sevim Dagdelen, die zum neuen Bündnis Sahra Wagenknecht gehört, warf der Regierung vor, aus politischen Gründen inhaftierte Deutsche im Stich zu lassen. "Während die Bundesregierung dem türkischen Präsidenten in Berlin den roten Teppich ausrollt, läuft die politische Verfolgung deutscher Staatsbürger in der Türkei auf Hochtouren."

Der türkische Journalist Can Dündar sagte, die Bundesregierung hätte Scholz' Treffen mit Erdoğan angesichts dessen Äußerungen zur islamistischen Hamas und Israel zumindest verschieben müssen. Deutschland spiele nach den Regeln des türkischen Präsidenten, sagte der frühere Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet. "Deutschland musste sich vor ihm verbeugen, in dem Wissen, dass er ein Hamas-Unterstützer ist und Israel als Terror-Staat bezeichnet", sagte Dündar, der im Exil in Deutschland lebt.