Politik/Ausland

Erdoğan verbittet sich Einmischung in "Rechtsstaat"

Trotz heftiger Kritik aus Europa wegen der willkürlichen Verhaftung mehrerer Menschenrechtler in der Türkei rückt deren Präsident Recep Tayyip Erdoğan keinen Millimeter von seinem Kurs ab. Sein Land sei "ein demokratischer, sozialer Rechtsstaat", polterte er am Sonntag. Niemand habe das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen. Diese werde weiter "alles in ihrer Macht stehende tun", um gegen "Provokateure" im Land vorzugehen.

Kurz kritisierte Erdoğan

Zuvor war Erdoğan aus Deutschland und Österreich erneut scharf kritisiert worden. "Meine Einschätzung, dass sich diese Türkei immer weiter von Europa wegbewegt, bewahrheitet sich immer mehr", sagte etwa Österreichs Außenminister Kurz der Zeitung Welt am Sonntag. "Ich werde mich weiterhin für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einsetzen."

Deutschland hatte am Donnerstag seine Türkei-Politik neu ausgerichtet und u.a. Reisehinweise verschärft. Die meisten Deutschen begrüßen das. Laut einer Umfrage für Bild finden 76 Prozent, dass sich die Regierung von Erdoğan zu viel gefallen lasse.

Als Vermittler in der Golfkrise unterwegs

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Dieser reiste am Sonntag nach Saudi-Arabien, um in dessen Konflikt mit Katar zu vermitteln. Saudi-Arabien und andere Golfstaaten werfen dem Emirat u.a. Terrorunterstützung vor und blockieren es politisch und wirtschaftlich. Beobachter bezweifeln, dass Erdoğans Vermittlungsmission Erfolg hat, gilt er doch als Verbündeter Katars.

Dutzende Festnahmen in Ankara

Die türkische Polizei hat indes am Sonntag mehrere Dutzend Teilnehmer einer Solidaritätskundgebung für zwei im Hungerstreik befindliche Akademiker festgenommen. Mehr als 40 Demonstranten seien in der Hauptstadt Ankara festgesetzt worden, berichteten die Nachrichtensender CNN-Türk und NTV. Wie ein AFP-Reporter berichtete, setzten die Sicherheitskräfte auch Tränengas ein, um die Kundgebung aufzulösen.

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Die Demonstranten wollten ihre Solidarität mit der Dozentin Nuriye Gülmen und dem Lehrer Semih Özakca bekunden, die sich aus Protest gegen ihre Entlassungen seit mehr als vier Monaten im Hungerstreik befinden. Die beiden Akademiker gehören zu rund 110.000 Staatsbediensteten, die seit dem gescheiterten Militärputsch vom Juli 2016 per Notstandsdekret der Regierung entlassen wurden.

Der Chef des deutschen Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, hat Reiseveranstalter zu Kulanz bei der Stornierung von Türkeireisen aufgefordert. "Solange die Sicherheitslage in der Türkei für Reisende so schwer einzuschätzen ist oder bis es zu einer klaren Reisewarnung kommt, erwarten wir von den Tourismusveranstaltern kulante Umbuchungen", sagte Müller der "Bild am Sonntag".

Das Auswärtige Amt hat bisher keine Reisewarnung, sondern nur verschärfte Reisehinweise für die Türkei ausgegeben. Bei einer Reisewarnung könnten Türkeireisen kostenfrei storniert werden.

Derweil äußerten sich in einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" 49 Prozent der Bürger überzeugt, dass man als Deutscher in der Türkei jetzt keinen Urlaub mehr machen könne. 44 Prozent sagten, dass dies weiterhin möglich sei, sieben Prozent antworteten mit "weiß nicht". Für die Erhebung befragte Emnid am vergangenen Donnerstag 505 repräsentativ ausgewählte Bürger.

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