Erdoğan verbittet sich Einmischung in "Rechtsstaat"

Streit zwischen Berlin und Ankara. Türkische Polizei nimmt indes dutzende Demonstranten in Ankara fest. Erdogan derzeit auf Vermittler-Reise.

Trotz heftiger Kritik aus Europa wegen der willkürlichen Verhaftung mehrerer Menschenrechtler in der Türkei rückt deren Präsident Recep Tayyip Erdoğan keinen Millimeter von seinem Kurs ab. Sein Land sei "ein demokratischer, sozialer Rechtsstaat", polterte er am Sonntag. Niemand habe das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen. Diese werde weiter "alles in ihrer Macht stehende tun", um gegen "Provokateure" im Land vorzugehen.

Kurz kritisierte Erdoğan

Zuvor war Erdoğan aus Deutschland und Österreich erneut scharf kritisiert worden. "Meine Einschätzung, dass sich diese Türkei immer weiter von Europa wegbewegt, bewahrheitet sich immer mehr", sagte etwa Österreichs Außenminister Kurz der Zeitung Welt am Sonntag. "Ich werde mich weiterhin für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einsetzen."

Deutschland hatte am Donnerstag seine Türkei-Politik neu ausgerichtet und u.a. Reisehinweise verschärft. Die meisten Deutschen begrüßen das. Laut einer Umfrage für Bild finden 76 Prozent, dass sich die Regierung von Erdoğan zu viel gefallen lasse.

Als Vermittler in der Golfkrise unterwegs

Erdoğan verbittet sich Einmischung in "Rechtsstaat"
This photo taken on July 23, 2017 and released by Turkey's Presidential Press Service shows Turkish President Recep Tayyip Erdogan (L) meeting with Saudi Arabia's King Salman bin Abdulaziz Al Saud during Erdogan's official visit in Jeddah. President Recep Tayyip Erdogan on July 23 embarked on a key visit to the Gulf region aimed at defusing the standoff around Turkey's ally Qatar, saying no-one had an interest in prolonging the crisis. / AFP PHOTO / TURKISH PRESIDENTIAL PRESS SERVICE / YASIN BULBUL / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / TURKISH PRESIDENTIAL PRESS OFFICE/YASIN BULBUL" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS
Dieser reiste am Sonntag nach Saudi-Arabien, um in dessen Konflikt mit Katar zu vermitteln. Saudi-Arabien und andere Golfstaaten werfen dem Emirat u.a. Terrorunterstützung vor und blockieren es politisch und wirtschaftlich. Beobachter bezweifeln, dass Erdoğans Vermittlungsmission Erfolg hat, gilt er doch als Verbündeter Katars.

Dutzende Festnahmen in Ankara

Die türkische Polizei hat indes am Sonntag mehrere Dutzend Teilnehmer einer Solidaritätskundgebung für zwei im Hungerstreik befindliche Akademiker festgenommen. Mehr als 40 Demonstranten seien in der Hauptstadt Ankara festgesetzt worden, berichteten die Nachrichtensender CNN-Türk und NTV. Wie ein AFP-Reporter berichtete, setzten die Sicherheitskräfte auch Tränengas ein, um die Kundgebung aufzulösen.

Erdoğan verbittet sich Einmischung in "Rechtsstaat"
Leaflets handed bearing pictures of two hunger-strikers who were taken into custody in May are seen on a street after a support demonstration, in the Turkish capital Ankara on June 3, 2017. A pair of Turkish educators are facing months or even years in prison after being arrested for launching a hunger strike in protest at being sacked from their jobs in a widespread purge following last year's failed coup attempt. Nuriye Gulmen and Semih Ozakca have not eaten in 77 days and their hunger strike has become a rallying point for opponents of the government of President Recep Tayyip Erdogan. / AFP PHOTO / ADEM ALTAN
Die Demonstranten wollten ihre Solidarität mit der Dozentin Nuriye Gülmen und dem Lehrer Semih Özakca bekunden, die sich aus Protest gegen ihre Entlassungen seit mehr als vier Monaten im Hungerstreik befinden. Die beiden Akademiker gehören zu rund 110.000 Staatsbediensteten, die seit dem gescheiterten Militärputsch vom Juli 2016 per Notstandsdekret der Regierung entlassen wurden.

Der Chef des deutschen Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, hat Reiseveranstalter zu Kulanz bei der Stornierung von Türkeireisen aufgefordert. "Solange die Sicherheitslage in der Türkei für Reisende so schwer einzuschätzen ist oder bis es zu einer klaren Reisewarnung kommt, erwarten wir von den Tourismusveranstaltern kulante Umbuchungen", sagte Müller der "Bild am Sonntag".

Das Auswärtige Amt hat bisher keine Reisewarnung, sondern nur verschärfte Reisehinweise für die Türkei ausgegeben. Bei einer Reisewarnung könnten Türkeireisen kostenfrei storniert werden.

Derweil äußerten sich in einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" 49 Prozent der Bürger überzeugt, dass man als Deutscher in der Türkei jetzt keinen Urlaub mehr machen könne. 44 Prozent sagten, dass dies weiterhin möglich sei, sieben Prozent antworteten mit "weiß nicht". Für die Erhebung befragte Emnid am vergangenen Donnerstag 505 repräsentativ ausgewählte Bürger.

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Tourists enjoy a beach in the Mediterranean resort city of Antalya, a popular destination for German tourists, in Turkey, July 25, 2016. REUTERS/Kaan Soyturk

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