Erdbeben in Kroatien: Österreichs Investoren als Helfer
Von Uwe Mauch
Ältere Fleischhauer in allen Republiken des ehemaligen Jugoslawien kennen noch die Berufsschule in der mittelkroatischen Stadt Petrinja: Hier wurden sie in jungen Jahren ausgebildet. Glück im Unglück: Das leer stehende Gebäude wurde von den Erdbeben nicht zerstört.
Jüngere schätzen die Produkte der modern ausgebauten Wurstfabrik nebenan. Der Betrieb ging in den 1990er-Jahren zurück in den Besitz der alt-österreichischen Familie Gavrilović. Djuro und Margarete Gavrilović führen noch immer gerne durch ihr Werk. Sie haben es nach dem Krieg neu strukturiert – und auch vor kroatischen Gerichten beharrlich verteidigt.
Dessen ungeachtet haben die beiden Österreicher mit ihrem Sohn, der heute die Geschäfte führt, spontan entschieden, das Schulgebäude der Kommune zu schenken.
„Hier sollen schon im Herbst die ersten Kinder unterrichtet werden“, meint Djuro Gavrilović. Seine Frau, die mit dem Realismus einer Wienerin ausgestattet ist, ist etwas weniger optimistisch.
Namhafte Beträge
Sehr ins Zeug gelegt hat sich auch Michael Markota, der in seinem Vertriebsunternehmen Alca 1.300 Mitarbeiter beschäftigt, einige auch in der Erdbebenregion. „Meine Firma hat bisher 100.000 Euro für konkrete Hilfsprojekte zur Verfügung gestellt“, sagt Markota. Gemeinsam mit den Zagreber Rotariern hat er weitere 200.000 Euro gesammelt. Seine Bitte: „Helfen wir den Menschen auch dann, wenn die erste Spendenwelle verebbt. Es fehlt wirklich an allen Ecken und Enden.“
Namhafte Beträge kamen bisher auch von großen österreichischen Firmen und ihren kroatischen Niederlassungen, darunter die Erste Bank, die Raiffeisen Bank International, A1, Spar, die Porsche Holding Salzburg, GRAWE, Supernova, dm und bipa.
Unmittelbar nach der Zerstörung hat die Baufirma Strabag mehrere Maschinen kostenlos im Erdbebengebiet zur Verfügung gestellt. Zwei Statiker helfen seither mit Expertisen. Schön ist auch die spontane Reaktion der Baufirma Swietelsky, die mit 70 lokalen Mitarbeitern bei der Sanierung von Bahnstrecken und Straßen in Kroatien hilft. Nach dem Aufruf im KURIER hat man einen Wohncontainer finanziert. Vorstand Walter Pertl erklärt: „Glücklicherweise sind unsere Mitarbeiter von den Auswirkungen der Beben nicht betroffen. Es ist uns dennoch wichtig, hier ein Zeichen zu setzen.“
Einen weiteren Container spendet die Merkur-Versicherung, die erst im November in Zagreb eine private Polyklinik eröffnet hat. Andrea Schleich, Mitglied des Vorstands, sagt dort: „Wir haben länger überlegt, wie wir nachhaltig helfen können. Da kam dieser Aufruf für uns gerade zum richtigen Zeitpunkt.“
Sechs komfortabel ausgestattete Wohnheime kommen vom Familienbetrieb Gebetsroither aus dem steirischen Liezen – und zwar direkt von Campingplätzen, wo man sie bisher vermietet hat.
Für Harald Gebetsroither ist es eine Ehrensache, sich der Aktion des KURIER anzuschließen. In Petrinja sagt er: „Wir haben unser Geschäft vor vierzig Jahren in Kroatien gestartet, Kroatien hat uns als Unternehmen groß gemacht.“
Zwölf bezugsfertige Baucontainer für je vier Personen leiht Cargo-Partner obdachlos gewordenen Menschen. Diese dürfen vorerst darin wohnen, solange sie nicht zurück in ihre Häuser können.
Aus einem edlen Holz
Die Firma Glendor aus Kilb im Mostviertel, die seit sieben Jahren rund um Petrinja Plantagen für schnell wachsende Edelhölzer aufschließt, unterstützt wiederum ihre lokalen Mitarbeiter, die viel, fast alles verloren haben.
Glendor-Geschäftsführer Arjen Crul, der die Betroffenen persönlich besucht, erklärt offen: „Wir wollen damit verhindern, dass wir sie verlieren, weil sie wegziehen.“
Auch das 190 Jahre alte Familienunternehmen Weitzer Parkett aus dem steirischen Weiz hilft den Mitarbeitern im neuen Werk in Turopolje, das trotz Corona-Lockdowns planmäßig im Vorjahr eröffnet werden konnte.
Dort werden Eichen, die erstmals unter Maria Theresia – damals zur Abwehr der Osmanen – gepflanzt wurden, modern verarbeitet. Für Firmenchef Josef Stoppacher ist die interne Soforthilfe Teil der Unternehmenskultur.
Darüber hinaus helfen die Weizer aber auch der Region: „Wir stellen dem Kroatischen Holzcluster 500 zur Verfügung, die er für humanitäre Projekte bewirtschaften darf.“ Noch einmal 500 Land will man für eine Schule spenden, die Bezug zur Holzverarbeitung haben soll: „Da sind wir auch schon auf der Suche.“
"Es ist doch ein positiver Trend erkennbar"
Sonja Holocher-Ertl leitet das AußenwirtschaftsCenter der Wirtschafskammer Österreich (WKO) in Zagreb. Österreichs Unternehmen, erklärt sie im Interview, haben in Kroatien im Vorjahr besser abgeschlossen als noch im März befürchtet. Holocher-Ertl unterstützt die KURIER-Hilfsaktion leidenschaftlich – und das vom ersten Tag an.
KURIER: Was sagen Sie zur Erdbebenhilfe österreichischer Firmen in Kroatien?
Sonja Holocher-Ertl: Ich bin von ihrer raschen Reaktion, vom Umfang und von der Zielgenauigkeit ihrer Initiativen wirklich beeindruckt.
Wie haben die Firmen im Krisenjahr 2020 bilanziert?
Insgesamt besser als zu Beginn der Corona-Krise im März befürchtet. Das zeigt sich auch in den Außenhandelszahlen. Mit Ende des dritten Quartals lag das Minus nur noch bei 9,6 Prozent – mit Ausfuhren in der Höhe von 918 Millionen Euro. Auch wenn das nicht sehr erfreulich ist, ist doch ein positiver Trend erkennbar. Die Stimmung unter unseren Investoren schätze ich als vorsichtig optimistisch ein.
Einige schlugen sich im Corona-Jahr sogar echt gut.
Ja, Weitzer Parkett beispielsweise hat ein Rekordjahr erzielt. Schalungsspezialist DOKA hat sehr gut abgeschlossen. Auch Strabag Kroatien hat wieder einige Aufträge an Land gezogen.
Welchen Branchen geht es dagegen weniger gut?
Ein sehr schweres Jahr hatten Tourismus und tourismusabhängige Unternehmen wie Reisebüros und Autovermietungen, Gastronomie und Gastronomiezulieferer, die Kultur- und Veranstaltungsbranche sowie nicht zuletzt die Personentransportunternehmen.
Die haben wohl noch einige harte Monate vor sich.
Auch der Handel, außer Lebensmittel und Haushaltswaren, leidet unter dem geringeren Privatkonsum. Das schlägt auch auf die Textil- und Lederindustrie durch. Die kroatische Lebensmittelindustrie berichtet über Einbrüche, man spürt dort die geringere Nachfrage aufgrund der fehlenden Touristenströme aus dem Ausland
Apropos: Wie realistisch ist ein Adriaurlaub 2021?
Sofern Reisen innerhalb Europas bis zum Sommer wieder einfacher wird, sehr realistisch. Viele Hotels, darunter auch die österreichischer Gruppen wie Falkensteiner, Holleis, das Bretanide auf der Insel Brač von Gruber Reisen, Valamar sowie Campingspezialist Gebetsroither, nutzen die Krise für Investitionen in ihre Objekte. Ich gehe davon aus: Wir werden einen schönen Sommer an der Adria haben.
Gemeinsam stark: Der KURIER kooperiert bei seiner Spendenaktion mit den beiden Hilfsorganisationen Rotes Kreuz und Caritas. Darüber hinaus unterstützen erfahrene Mitarbeiter des AußenwirtschaftsCenter Zagreb der Wirtschaftskammer (WKÖ) die Aktion mit ihrer in Kroatien erworbenen Expertise.
Caritas: Kennwort: „Kroatienhilfe KURIER“. Der IBAN des Spendenkontos der Caritas lautet: AT23 2011 1000 0123 4560
Rotes Kreuz: Kennwort: „KURIER Erdbebenhilfe Kroatien“. Der IBAN des Rot-Kreuz-Spendenkontos lautet: AT57 2011 1400 1440 0144