Politik/Ausland

Er kratzt am Heldenimage: Seymour Hersh unter Feuer

War doch alles anders? Hat US-Präsident Barack Obama vor vier Jahren die Welt darüber belogen, wie El-Kaida-Terrorchef Osama bin Laden getötet wurde? Eine aufgebauschte, amerikanische "Helden"-Geschichte?

Laut Darstellung des US-Starreporters und preisgekrönten Aufdeckerjournalisten Seymour Hersh (78) ist das so: Nicht die CIA hat in jahrelanger Suche die Spur zum meistgesuchten Terroristen der Welt aufgenommen, sondern ein pakistanischer Geheimdienstler habe die entscheidenden Hinweise geliefert, behauptet Hersh in einem Aufsatz für das Magazin London Review of Books. Außerdem habe der pakistanische Geheimdienst ISI Osama bin Laden als eine Art Geisel in der Stadt Abottabad jahrelang streng unter seinen Fittichen gehabt. Und unglaubwürdig ist aus Sicht des renommierten Journalisten letztlich auch die pakistanische Version, wonach man über die nächtliche Navy SEALS-Aktion nicht informiert gewesen sei, bei der bin Laden erschossen worden war. "Nichts ist dran an dieser Geschichte, es ist eine große Lüge", schreibt Hersh.

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Wenig überraschend hält das offizielle Washington dem entgegen: "Jeder Satz, den ich gelesen habe, ist falsch", konterte etwa Ex-Vize-CIA-Chef Mike Morell. Und das Weiße Haus twitterte: "Zu viele Ungereimtheiten, haltlose Anschuldigungen. Zu behaupten, die Tötung von Osama bin Laden sei keine rein amerikanische Mission, ist offenkundig falsch."

Noch viel emotionaler werfen sich die meisten US-Medien gegen Hershs Version in die Bresche. Der Reporter zitiere nur anonyme Quellen, heißt es etwa. Er verwickle sich in Widersprüche und lasse alle mögliche Interpretationen offen, liefere aber keine hieb- und stichfesten Beweise. In den Internetforen wird heiß diskutiert, für und wider die Darstellung des Starjournalisten. Von "Verschwörungstheorien" ist da die Rede und auch der Tatsache, dass die hoch angesehene New York Times abgelehnt hatte, Hershs Artikel wegen Unglaubwürdigkeit zu drucken.

Das allein aber ist kein Beweis: Schon 1968 war der damals junge Journalist einem Massaker amerikanischer Soldaten an rund 500 vietnamesischen Zivilisten auf die Spur gekommen. Kein amerikanisches Medium wollte diese zunächst haarsträubend erscheinende Geschichte veröffentlichen. Am amerikanischen Heldenimage zu kratzen aber hat Seymour Hersh noch nie gekümmert, und so boxte er gegen alle Widerstände seine Geschichte durch. Jedes Wort davon war wahr.