Politik/Ausland

Empörung über Missbrauch in Kirche: Jetzt reagiert auch die Politik

In Polen folgte nach der Enthüllung die Verhüllung: Das Denkmal von Eugeniusz Makulski, dem Domherrn der Basilika von Lichen, wurde am Dienstag auf Anweisung des Mariannenordens mit einer Plane zugedeckt. Dem heute 91-jährigen Geistlichen wurde in der Doku „Sag es nur niemandem“ schwerer Missbrauch von Buben vorgehalten.

Der Film des TV-Journalisten Tomasz Sekielski über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche erschüttert Polen. Seit er am Samstag auf YouTube veröffentlicht wurde, wurde er elf Millionen Mal angesehen. Unter den meisten Bischöfen herrscht Betroffenheit. „Im Namen der gesamten Bischofskonferenz drängt es mich, mich bei den geschädigten Personen zu entschuldigen“ so Stanislaw Gadecki, Vorsitzender des Episkopats.

„Wir tolerieren kein pathologisches Verhalten“ sagte Premier Mateusz Morawiecki; es gebe auch keinen „Sondertarif für die Kirche“. Er kündigte an, pädophile Taten mit bis zu 30 Jahren Gefängnis zu bestrafen.

Lange Vertuschung

Der rund zwei Stunden dauernde Film zeigt nicht nur die Geschichte der Opfer kirchlichen Missbrauchs, sondern begleitet sie auch zu ihren ehemaligen Tätern. Diese reagieren mit Verharmlosung, ungeschickten Entschuldigungen oder Drohungen. Aufgezeigt wird die Vertuschung/Verschleppung der Fälle durch das Episkopat. So konnte ein Geistlicher, dessen Kinderporno-Sammlung der Kirchenleitung bekannt war und der bereits gerichtlich verurteilt wurde, weiter mit kleinen Kindern arbeiten. Ein Kaplan legte nach der Veröffentlichung sein Amt nieder, ein Geistlicher wurde suspendiert.

„Ich wollte, dass eine Diskussion beginnt“ so Sekielski gegenüber Gazeta Wyborcza. Der Journalist fordert eine kirchenunabhängige Aufklärung mit einem kirchenunabhängigen Budget und Zugang zu den Archiven des Klerus. Mittels Schwarmfinanzierung hat der 45-Jährige 450.000 Zloty (105.000 Euro) gesammelt, es soll eine Fortsetzung folgen. Auch eine Publikation bei Netflix ist in Diskussion.

Das Episkopat in Polen reagiert auch auf Druck des Vatikans und publizierte im März erstmals Fakten. Demnach wurden der Kirche von 1990 bis Mitte vergangenen Jahres 382 Fälle von Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche gemeldet. Bislang konnte die Kirche in Polen auf die Protektion der national-konservativen Regierung zählen. So wurden bei einer namentlichen Veröffentlichung von pädophilen Straftätern im Internet durch das Justizministerium Geistliche ausgenommen.