Politik/Ausland

Zeitungen zum Coronavirus: "Die Welt wird nie wieder dieselbe sein"

Tages-Anzeiger (Zürich)

„Es könnte bald hässlich werden in unseren Spitälern. Im Tessin ist aufgrund der schnellen Corona-Ausbreitung mit dem Kollaps der Intensivpflege zu rechnen. In Kürze werden die verfügbaren Plätze nicht mehr ausreichen - und die dortigen Ärzte kommen in die Lage, dass sie über pflegenswertes und -unwertes Leben entscheiden müssen. Auch in der Restschweiz ist die Reserve an verfügbaren Betten beunruhigend tief."

Le Parisien (Paris)

„Gestern Abend um 20.00 Uhr haben Hunderte Pariser und Pariserinnen in der Straße, die an unserer Zeitung vorbeiführt, minutenlang applaudiert, um die Verdienste der Pflegekräfte zu würdigen. Noch am selben Nachmittag hatten Dutzende von ihnen (den Parisern) ein paar Meter weiter am Ufer der Seine gejoggt, flaniert oder ein Sonnenbad genommen. Sie missachteten die Gefahr und das Risiko, sich mit dem Coronavirus anzustecken oder es zu verbreiten. Die Welt steht auf dem Kopf. So mancher wird argumentieren, dass die Anweisungen (für die Ausgangssperre) ungenau sind. Das ist glatter Hohn, eine Verspottung der Pflegekräfte, die man vortäuscht zu unterstützen, indem man in die Hände klatscht.“


Lidove noviny (Prag)

„Es kann uns passieren, dass wir den Kampf gegen das Virus zwar gewinnen, aber Hunderttausende oder sogar Millionen Menschen im Elend enden werden. Das dürfen wir nicht zulassen. Begriffe wie ausgeglichener Haushalt sollten wir nun für einige Monate ganz beiseiteschieben und aus unserem Vokabular streichen. Der Dienstleistungssektor (in Tschechien) ist im Grunde vollkommen tot, Hunderttausende Selbstständige haben keine Chance mehr, Geld zu verdienen, und schrittweise kommt auch die Industrie zum Erliegen.

El Mundo (Madrid)

„Nach der Gleichgültigkeit, die (die Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine) Lagarde vor einer Woche gezeigt hatte, als sie die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie unterschätzte, hat die EZB endlich die Sensibilität aufgebracht, die alle forderten, um die Krise anzugehen (...). Während vor wenigen Tagen die Aktienmärkte auf die Worte der Präsidentin mit einem Zusammenbruch reagiert hatten, begrüßen die Analysten jetzt die Anstrengung, die unternommen wird, um den Schock abzufangen. (...) Das Eingreifen der Zentralbank ist eine gute Nachricht. (...) Denn alle Extra-Anstrengungen der einzelnen Länder bringen nichts, wenn die mächtigste Institution des Euro nicht im Einklang mit den Grundwerten des von ihr verkörperten Projekts der Einheit und des Zusammenhalts handelt.“

The Guardian (London)

„In Notzeiten sind Notfallmaßnahmen erforderlich. Das kann kaum bestritten werden. Der Ausbruch von Covid-19 ist zweifellos eine Notsituation. Ganze Bevölkerungsgruppen sind durch die Krankheit gefährdet, einige Gruppen akut. Dies ist ein schwerwiegendes Ereignis. Außergewöhnliche Maßnahmen sind erforderlich, im Grundsatz und in der Praxis, hier und in anderen Nationen, um die Sicherheit aller Menschen zu gewährleisten und eine möglichst umfassende, geordnete und wirksame Reaktion auf die Krise zu erreichen.“

Latvijas Avize (Riga)

„Die Zeit wird vergehen und das Leben wird wieder seinen gewohnten Gang gehen. Kinder werden zur Schule gehen, in Cafés werden fröhliche Stimmen zu vernehmen sein und die Menschen wieder auf Reisen gehen. Es wird die erste Fähre, den ersten Zug und das erste Flugzeug geben. Und doch wird sich alles geändert haben, die Welt wird nie wieder dieselbe sein. Das Virus wird die Zeitrechnung in 'vorher' und 'nachher' aufteilen - mit 2020 in der Mitte. Die Beziehungen zwischen Staaten, zwischen der Macht und dem Volk werden sich ändern. Wahrscheinlich auch zwischen Menschen - sowohl zum Guten als auch zum Schlechten. Prioritäten werden neu bewertet, Einfluss, Macht und Reichtum umverteilt. Wie das aussehen wird, ist noch nicht möglich, genau vorherzusagen.“

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Trud (Sofia)

„Es ist interessant, dass in diesem Artikel (5 des NATO-Vertrags) außer einer bewaffneten Antwort auch festgelegt ist, wie die Mitgliedstaaten sich helfen, und nicht die Grenzen im verbündeten Europa isolieren. Diesem NATO-Artikel zufolge könnten Italien und alle europäischen Verbündeten auch die USA um Hilfe ersuchen. (...) Zu diesem Zeitpunkt hält aber das (Corona-)Virus die “Krone„ des Zerstörers der internationalen Modelle. In der Weltwirtschaft wird es bereits als Monster angesehen.“

Rzeczpospolita (Warschau)

„Nur ein Augenblick ist vergangen zwischen sorglosen Treffen von Politikern mit ihren Anhängern und Polizeieinsätzen gegen die Teilnehmer von Coronaparties. Der Westen wandelt sich in einem nicht gekannten Tempo. Und fast scherzhaft könnte man sagen: Eine der großen politischen Veränderungen, die uns die Coronavirus-Epidemie bringt, ist das Comeback von Angela Merkel. Sie war sichtlich erschöpft von 15 Jahren des Kanzler-Daseins, schon wurden die Monate, ja sogar Wochen bis zu ihrem Abgang gezählt. Und plötzlich, am Mittwochabend, trat sie mit der wichtigsten Rede in ihrer Karriere vor die Bürger. Es sieht sehr schlecht aus, machte sie klar. Aber wir können gewinnen, wenn wir die Epidemie gemeinsam als die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg behandeln. Es hängt von uns ab, wie viele unserer Nächsten wir verlieren. “

 

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Nesawissimaja Gaseta (Moskau)

„Die Coronavirus-Pandemie führt nicht nur zu Spannungen in der Welt, sie hat auch einen gewaltigen negativen Einfluss auf die Lage der internationalen Beziehungen. Die starke Ausbreitung der Lungenkrankheit Covid-19 bestimmt die neuen Regeln der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit (...) Die Weltdiplomatie macht eine Pause. Das Virus zerstört die Traditionen im Verhältnis der Staaten zueinander. Wegen der Quarantäne-Bestimmungen gibt es nun den Trend, dass sich die Anführer für eine Zeit gar nicht mehr persönlich treffen.
Es tritt eine Phase ein, in der die Weltdiplomatie nur noch mithilfe digitaler Technologien funktioniert (...) Viele wichtige Veranstaltungen zu großen Problemen sind in Frage gestellt. Und niemand kann bisher vorhersagen, welche Ergebnisse diese neue Normalität in den internationalen Beziehungen noch bringen kann, wenn sich niemand mehr von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten, sondern sich bestenfalls nur noch auf dem Bildschirm sehen kann.“

Verdens Gang (Oslo)

„60 Millionen Individualisten in Quarantäne zu setzen, hätte zu einem gescheiterten Experiment werden können. Aber die drakonische Strategie von Ministerpräsident Giuseppe Conte stieß auf Verständnis in der Öffentlichkeit. Nicht nur das: Der unbekannte Rechtsprofessor, der vor fast zwei Jahren widerwillig Italiens Regierungschef wurde, ist zu einer vereinenden Figur geworden. Ein nationaler Landesvater mit einer persönlichen Popularität, die kein italienischer Premierminister zuvor hat vorweisen können.“