Politik/Ausland

Die Moral der ukrainischen Truppen sinkt

Einmal mehr schwor der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij öffentlichkeitswirksam, dass mit Kriegsende alle ukrainischen Städte, die derzeit von den russischen Streitkräften besetzt sind, wieder ukrainisch sein würden. Eine Aussage, die – zumindest aus heutiger Sicht – an der Realität vorbeigeht: Seit dem Wochenende steht die Stadt Sjewjerodonezk unter russischer Kontrolle, ihre Zwillingsstadt Lyssytschansk – nur durch den Donez-Fluss getrennt – ist das nächste Ziel Moskaus: Am Sonntag drangen russische Soldaten laut der Nachrichtenagentur Interfax bereits über den Fluss in die Stadt vor. Nach dem Fall von Sjewjerodonezk ist Lyssytschansk die letzte größere ukrainische Bastion in der Region Luhansk.

Zwar hatte der Kampf um Sjewjerodonezk wochenlang gedauert, schien der russische Vormarsch zeitweise stark ins Stocken geraten zu sein. Doch bei näherem Hinsehen hat sich das Blatt im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gewendet: Die russische Artillerie und der brutale Grabenkampf sind nur zwei Faktoren eines unbarmherzigen Abnützungskriegs, der tagein, tagaus wütete und weiterhin wütet.

Mindestens 20 ukrainische Einheiten forderten öffentlich entweder stärkere Bewaffnung, oder aber, erst gar nicht an die Front verlegt zu werden.

Es mangelt an Waffen und Material, doch auch an Nahrung und medizinischer Versorgung. Treffen nicht bald neue Güter und Waffen ein, könnte in den kommenden Wochen auch die strategisch wichtige Stadt Kramatorsk im Oblast Donezk in massive Bedrängnis geraten.

Indes sind auch westukrainische Städte vor Luftangriffen nicht gefeit: 45 Raketen sollen am Wochenende unter anderem Gebäude im Raum Lemberg (Lwiw) getroffen haben, am Sonntag schlug eine Rakete in einem neunstöckigen Wohngebäude in Kiew ein.