Politik/Ausland

SPD startet in den Wahlkampf: Jetzt sollen die Spitzenverdiener zahlen

„It’s the economy, stupid“, lautete Bill Clintons Wahlspruch 1992. Der Stehsatz gilt bis heute: Wer die Wirtschaft ankurbelt und bessere Arbeitsbedingungen schafft, hat bei Wahlen die besseren Karten.

Clinton gewann damals gegen George Bush sen., denn die USA kämpften mit einer Rezession. Dasselbe gilt jetzt für Deutschland: 2024 schrumpft die Wirtschaft zum zweiten Mal in Folge, die letzte derartige Durststrecke ist mehr als 20 Jahre her. Damals trug Deutschland den unangenehmen Beinamen „kranker Mann Europas“, erst die massiven Einschnitte von Gerhard Schröders Agenda 2010 brachten das Land wirtschaftlich zurück auf Kurs.

Reformen, wie sie der SPD-Kanzler damals gegen den Willen von Gewerkschaften und eigener Partei durchdrückte, stehen in Deutschland derzeit nicht am Horizont. Das liegt am beginnenden Wahlkampf: Deutschland wählt spätestens im Herbst 2025, und Wahlen gewinnt man nicht mit Sparprogrammen. Das hat die SPD verinnerlicht: Will die Kanzlerpartei raus aus ihrem 15-Prozent-Tief, braucht sie Wirtschaftsideen für die breite Masse.

Eine solche Idee ist am Sonntag bei der Vorstandsklausur in Berlin durchgesickert. Demnach will die Partei mit einer großen Steuerreform in den Wahlkampf ziehen – 95 Prozent der Menschen sollen entlastet, aber die reichsten fünf Prozent zur Kasse gebeten werden. Der Spitzensteuersatz, der ab 277.000 Euro im Jahr gilt, soll von 45 auf 48 Prozent angehoben werden, so der Gedanke. Mit den Mehreinnahmen wiederum will man die Entlastungen am unteren Ende finanzieren – und so die Kaufkraft der Mittelschicht ankurbeln. Europaweit wäre Deutschland mit diesem Steuersatz ziemlich weit oben; nur Belgien, Dänemark, die Niederlande, Schweden und Österreich liegen höher – hierzulande gilt ab 99.266 Euro ein Satz von 50 Prozent, der Spitzensatz von 55 Prozent kommt ab einer Million zur Anwendung.

Vorbild der SPD dürften jene Sozialdemokraten sein, die zuletzt mit dem Thema Wahlen gewannen – Labour in Großbritannien etwa. Dort zielte man jedoch nicht auf die Einkommen, sondern auf Erbschaften, Manager-Boni und Lücken im Steuersystem. Besteuern will Labour etwa Superreiche, die in Großbritannien leben, aber im Ausland gemeldet sein waren – dieses Gesetz aus der Kolonialzeit sparte vielen Superreichen bisher Millionen.

Labourchef Starmer gewann mit diesem Programm die Wahl, auch die spanischen Sozialisten konnten vergangenes Jahr mit dem Thema punkten. Nicht aufgegangen ist der Reichensteuer-Wahlkampf jedoch in Österreich: SPÖ-Chef Andreas Babler landete damit bekanntlich hinter FPÖ und ÖVP.

Historisch belastet

Ob das Thema in Deutschland verfängt, ist die andere Frage. Historisch betrachtet ist es eher waghalsig, auf Umverteilung als Stimmenbringer zu setzen: 2017 landete Martin Schulz mit einem sehr ähnlichen Konzept einen veritablen Bauchfleck, und als Peer Steinbrück 2013 mehr Steuern für alle forderte, holte Merkels Union mehr als 40 Prozent. Auch Gerhard Schröder probierte es 2005 mit dem Thema – und scheiterte ebenso. Er hatte allerdings als Kanzler zuvor den Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent gesenkt.