Politik/Ausland

Deutschland: Oberster Verfassungsschützer im Zwielicht

Der Druck auf Hans-Georg Maaßen wächst: Deutschlands oberster Verfassungsschützer hatte am Freitag via Bild-Zeitung behauptet, es habe in Chemnitz „keine Hetzjagden“ gegeben, und stellte sich damit gegen die Aussagen der Kanzlerin bzw. die Augenzeugenberichte von Journalisten. Ebenso zweifelte er die Echtheit eines Videos von Angriffen auf Ausländer an, das die Staatsanwaltschaft Dresden aber als echt bezeichnet.

Dass er seine Verdächtigungen ohne Belege kund tat bzw. das Kanzleramt nicht informierte, brachte dem 55-Jährigen parteiübergreifend Kritik und Rücktrittsaufforderungen ein. In der Union, wo sich einige zurückhalten, andere ihn verteidigen, verlangte auch Fraktionsvorsitzender Volker Kauder, Maaßen im Innenausschuss zu befragen. Auch sein Dienstherr, Innenminister Horst Seehofer, der über Maaßens Zweifel informiert war („Herr Maaßen hat mein volles Vertrauen“), erklärte Sonntagabend im ARD, er erwarte „eine Begründung, auf die er seine These stützt.“

Den geforderten Bericht lieferte Maaßen gestern früh ab – er ging an Innenministerium wie Kanzleramt. Er werde derzeit „ausgewertet und bewertet“, berichtete BMI-Sprecherin Eleonore Petermann. Zum Inhalt des Berichts wollten sie bzw. Regierungssprecher Steffen Seibert nichts sagen.

Maaßen kritisiert Video-Veröffentlichung

Laut Spiegel soll er darin Fragen des Innenministeriums beantwortet haben und etwa einräumen, dass besagte Video-Sequenz echt sei. Gleichzeitig kritisiert er dessen vorschnelle Veröffentlichung durch Medien - er soll argumentiert haben, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme niemand Quelle und Echtheit einschätzen hätte können. Dass es als Beleg für die Verwendung des Begriffs " Hetzjagd" benutzt wurde, halte er für unseriös - und kritisiert so erneut die Kanzlerin, die genau dies getan hatte.

Der wenige Seiten umfassende Bericht soll auch an den Innenausschuss und an das Parlamentarische Kontrollgremium gehen, die am Mittwoch tagen.

Fragen zu AfD-Kontakt

Dort könnte Maaßen auch zu seinen AfD-Kontakten befragt werden. Dem Präsidenten des Verfassungsschutzes, der politisch neutral sein sollte, wird vorgeworfen, die Partei beraten zu haben, um einer Beobachtung durch seine Behörde zu entgehen. Zudem berichtet das Handelsblatt von „undichten Stellen“ in seiner Behörde: Gesammelte Informationen und Einschätzungen sollen dem Blatt zufolge an die Partei gegangen sein.

Wie die Kanzlerin zu Maaßen steht, könnte sich an diesem Mittwoch ebenfalls klären. Ob sie ihm derzeit noch das Vertrauen aussprechen kann? Sprecher Seibert verwies auf seine Antwort vom Freitag („Herr Maaßen hat eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe“).

Sollte er in seinem Bericht keine weiteren stichhaltigen Beweise liefern, ist fraglich, wie lange er diese noch ausüben wird: Grüne, FDP, Linke und SPD forderten gestern erneut, dass ihn Seehofer umgehend entlassen müsste.