Politik/Ausland

Mediator: "Feindbilder nicht zulassen"

Nullkommunikation zwischen Paris und Berlin, gegenseitige Blockaden, Animositäten zwischen Staatspräsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die beiden Großen in der EU brauchen einen Mediator. Jean Asselborn, Luxemburgs Vize-Premier und Außenminister, vermittelt. Dem KURIER erzählt er von einem kürzlichen Vieraugengespräch mit Hollande im Élysée-Palast in Paris.

KURIER: Herr Außenminister, warum vermitteln gerade Sie?

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Jean Asselborn:Ich maße mir nicht an zu vermitteln, aber wir Luxemburger liegen geografisch zwischen beiden Ländern, kennen beide Kulturen, wir sprechen beide Sprachen, das macht es uns leicht, Briefträger zu spielen – ich denke, im Interesse aller Europäer.

Sind Sie von Frankreich ersucht worden, eine Botschaft zu überbringen?

Ich kenne Hollande seit 1997, wir sind eng befreundet. Uns hat ein Spiegel-Artikel zusammengebracht mit dem Titel „Feindbild Deutschland“. Europa verträgt viel, aber nicht, wenn zwischen Deutschen und Franzosen Feindbilder entstehen. Die beiden Länder sind die Essenz von Europa.

Was hat Hollande gesagt?

Hollande hat betont, dass es keine Animositäten zwischen ihm und Merkel gibt. Es stimme auch nicht, dass Frankreich auf eine neue deutsche Regierung im Herbst 2013 wartet und bis dahin alles in der EU blockieren will. Das ist nicht die Realität.

Was ist die Realität?

Was unter der Bezeichnung ‚Merkozy‘ bekannt geworden ist, war keine Eintracht durch Liebe. Das war mehr Spektakel als Substanz. Es ist auch nicht so, dass Deutschland und Frankreich die Gurus in der EU wären. Frankreich und Deutschland sind wichtige Stützen. Es stimmt, Deutschland ist heute ökonomisch extrem stark.

Was bedeutet die Stärke Deutschlands in der EU?

Was man den Deutschen als Luxemburger oder Österreicher auch sagen muss, ist, dass die Stärke der deutschen Wirtschaft zur Zeit auf dem Anwachsen von Schulden in vielen anderen Ländern beruht. 60 Prozent des deutschen Außenhandels spielen sich in der EU ab. Deutschland hat große Reformen gemacht. Um das zu ermöglichen, wurde der Stabilitätspakt gelockert. Damals gab es große Solidarität, den Deutschen zu helfen. Heute darf man die deutsche Öffentlichkeit nicht ermutigen zu denken, dass sie es alleine schaffen, es national besser machen könnten ohne EU.

Wie steht es um Frankreich?

Wenn man über Frankreich urteilt, darf man es sich nicht einfach machen. Frankreich hat jetzt zwei Jahre Zeit bekommen, um sein Haushaltsdefizit zu reduzieren. Das wurde vor Jahren auch Deutschland zugestanden. Man muss auch die unterschiedlichen Lebensgefühle akzeptieren. Das Verständnis für den Anderen macht Europa aus.

Was ist Ihre Botschaft an beide Länder?

Deutschland und Frankreich müssen sich bewusst sein, dass die Essenz der EU auf der Freundschaft beider Länder aufgebaut ist. Diese Essenz wird zerstört, wenn Feindbilder zugelassen werden. Wir sind in der EU in einer schweren Krise. In dieser Zeit muss der Stärkere versuchen, den Schwächeren nicht noch mehr abzuhängen. Der Schwächere muss alles tun, die EU nicht infrage zu stellen. Wenn Deutschland und Frankreich ihren eigenen Weg gehen, würde Europa das nicht überleben. Alle Länder der EU müssen auf Deutschland und Frankreich einwirken und sagen: Passt auf.

Und was muss die EU tun?

Hollande hat mir etwas Wichtiges gesagt: „Die EU trifft viele richtige Entscheidungen im letzten Moment, und noch viel länger brauchen die Länder, diese Entscheidungen umzusetzen.“ Die EU zögert zu lange.