Apotheker ließen Minister bespitzeln
So einen Fall von massiver politischer Interessensvertretung gab es lange nicht: Zwei Jahre lang hat offenbar ein „freiberuflicher Vertreter der Apothekerschaft“ illegal den eMail-Verkehr des Gesundheitsministeriums und damit dessen politische Pläne ausgeforscht. Die Staatsanwaltschaft Berlin bestätigte entsprechende Ermittlungen, darunter mittels mehrerer Hausdurchsuchungen.
Der Gesundheitssprecher der Union, Jens Spahn (CDU), berichtete, dass sich die Gesundheitspolitiker der Koalition in der letzten Zeit darüber gewundert hätten, dass Vertreter der Apotheker in Verhandlungen um die Vorgänge im Ministerium oft sehr früh und genau Bescheid wussten. Auf der Homepage von Apotheker-Organisationen seien sogar Entwürfe der Abteilungen des Ministeriums für Gesetzesänderungen früher gestanden, als sie der Minister gekannt habe. Spahn schloss aber aus, dass es den Apothekern mit dieser „kriminellen Energie“ gelungen sei, die Gesetzestexte zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Eine nachträgliche Überprüfung sei daher nicht nötig.
Harte Lobby
Die Apotheker gehören traditionell zu den härtesten Verhandlern im deutschen Gesundheitswesen, das mit 250 Milliarden Euro Jahresumsatz und 4,8 Millionen Beschäftigten zu den größten Wirtschaftszweigen des Landes zählt. Die Apotheker haben es als wichtiger Teil der öffentlich häufig kritisierten Pharma-Lobby verstanden, mit politischem Druck ihre Margen hochzuhalten. Auch deshalb hat Deutschland die höchsten Medikamentenpreise in der EU. Und die höchste Apotheken-Dichte der Welt: Nur Friseure sind im Stadtbild häufiger.
Der Dachverband der Apothekerverbände distanzierte sich inzwischen entschieden von dem Verdacht: „Eine solche Informationsbeschaffung lehnen wir so ab wie eine Interessensvertretung mit dem Scheckbuch.“