Der Kampf um Madrid wird im rebellischen Barcelona entschieden
Der Duft von Schokolade liegt über Viladecans. Der Ort zählt etwa 65.000 Einwohner und gehört zum „roten Gürtel“, den Arbeitervorstädten Barcelonas, in denen die Sozialisten auf kommunaler Ebene noch mit bequemen Mehrheiten regieren.
Hier leben vor allem Spanier, die ab den 1960ern zu Hunderttausenden aus den ärmeren Regionen zugewandert sind, um Arbeit zu finden. Der Schokoladengeruch kommt aus einer Fabrik, in der Kakaomasse hergestellt wird. In dem Werk arbeitet der Mechaniker Manuel Sanchez, 50, der mit zwei Kollegen Mittagspause macht. Am 10. November wird er wieder wählen gehen. Er will die Einheit Spaniens und wünscht sich, dass der Katalonienkonflikt endlich geregelt wird. „Für mich ist der Separatismus kein Thema. Ich mache mir Sorgen wegen Arbeitslosigkeit, um das Gesundheitssystem und um Sozialrechte“, sagt Sanchez.
"Die sollen reden"
„Die separatistischen Politiker machen ihre Aufgaben nicht und regieren nur für einen Teil der Katalanen“, fügt ein älterer Kollege hinzu. Am Nebentisch sitzen Neus, 64, Ana, 67, und Rosa, 53. „Wir sind müde von so vielen Wahlen. Die sollen sich endlich zusammensetzen und reden“, fordert Rosa. „Aber mit den Separatisten kann man nicht reden“, wirft Neus ein. Ana beschwert sich über die Verwüstungen bei den Protesten in Barcelona. „Die Rechnung müssen wir alle bezahlen“, empört sie sich.
Die drei Freundinnen sind sich jedoch einig, dass die Urteile gegen die katalanischen Politiker ungerecht sind (hohe Haftstrafen für die Separatistenführer durch ein Gericht in Madrid, Anm) . „Es hätte gereicht, ihnen Berufsverbot zu erteilen“, sagt Ana.
Finale in Barcelona
Am Mittwoch kam Spaniens amtierender Premier und Chef der Sozialisten, Pedro Sanchez, nach Viladecans, um vor rund 1.500 Parteianhängern zu reden. Viele sind aus der Umgebung angereist. Katalonien spielt dieses Mal eine sehr große Rolle im Wahlkampf um das spanische Parlament. Am Freitag schließen die Sozialisten ihre Wahlkampagne sogar erstmals in Barcelona und nicht wie gewohnt in Madrid ab.
Ein symbolischer Akt, wie Salvador Illa, Generalsekretär der katalanischen Sozialistenpartei im Gespräch mit dem KURIER bestätigt. Doch es geht um mehr. „Nur wenn wir in Katalonien ein gutes Ergebnis erreichen, bekommen wir ein gutes Ergebnis in ganz Spanien“, sagt Illa. Schon bei der vergangenen Wahl im April konnte seine Partei in Katalonien kräftig aufholen und landete in der Region hinter den Republikanischen Linken auf dem zweiten Platz. Leicht werde die Lösung der katalanischen Krise nicht sein, so Illa. „Katalonien ist heute praktisch in zwei Hälften geteilt,“ so der Parteisekretär.
Vor der Messehalle sorgt die Polizei dafür, dass die rund 200 Demonstranten hinter den Absperrungen bleiben. Rufe nach „Freiheit für die politischen Gefangenen“ erklingen. Unter den Protestierenden ist eine Gruppe 19-jähriger Studenten aus Viladecans. „Wir sind gegen Pedro Sanchez, wegen dem Urteil“, sagt Alejandro Pino. Was soll nach den Wahlen passieren, um den Konflikt zu beenden? „Es muss ein Referendum geben“, sind sich alle einig.
In der Nähe ruhen sich Joan und Dolors aus, beide Ende 50. Auch für sie ist ein Referendum die einzige Lösung. „Vor vielen Jahren wäre ich mit einer Verbesserung des Autonomiestatus zufrieden gewesen. Aber daran glauben wir heute nicht mehr“, so Dolors.
2006 segnete das spanische Parlament eine neue Autonomie der Region ab, in der etwa Katalonien als Nation anerkannt wird. 2010 strich das Verfassungsgericht zentrale Teile des Textes. Der Autonomiestatus war wertlos. Seitdem haben sich die Beziehungen zwischen Madrid und Barcelona stetig verschlechtert.
„Faschisten raus“
Nach eineinhalb Stunden strömen die Parteimitglieder in Viladecans ins Freie. Dort warten sie auf ihre Busse, die sie nach Hause bringen. Asunción, 58, aus Martorell, ist zufrieden mit Sanchez’ Auftritt. „Wir sind doch alle Katalanen. Das Problem mit den Separatisten ist, dass sie unsere Meinung nicht respektieren“, sagt sie. Die Busse fahren ab. Ein Demonstrant wirft Eier auf Polizeibeamte. Ein anderer ruft in Richtung der Busse „Faschisten, raus“.
Aus Barcelona: Linda Osusky