Politik/Ausland

Das große Feilschen um die Macht in Zagreb

"Es wird Zeit, dass Zoki geht", empört sich der Pensionist in einem Friseursalon nahe des Zagreber Hauptplatzes. "Zoki" ist für ihn nicht Rapid-Wien-Trainer Zoran Barisic, sondern der Sozialdemokrat Zoran Milanović, der seit nunmehr vier Jahren für die Performance der kroatischen Regierung verantwortlich ist. "Unser Premier verspricht uns noch immer den Aufschwung. Aber in Wahrheit haben die meisten Kroaten weniger in der Tasche als zuvor." Er selbst müsse sich die sieben Euro für den Friseurbesuch mühsam vom Mund absparen.

"Gonzo ist um nichts besser als Zoki", widerspricht ihm ein Student vor der Philosophischen Fakultät. "Gonzo" ist für ihn nicht der nervige Tollpatsch in der "Muppet Show", sondern Tomislav Karamarko, seit 2011 Vorsitzender der derzeit oppositionellen, national-konservativen HDZ. Etliche Fehler hat sich der frühere Geheimdienstchef und rhetorisch nicht gerade mitreißende Karamarko im Wahlkampf geleistet. Lag die HDZ vor wenigen Monaten in Umfragen noch klar vor den regierenden Sozialdemokraten, so schrumpfte ihr Vorsprung wohl auch wegen des spröden Charmes ihres Vorsitzenden vor dem Wahlsonntag nahezu auf null. "Wir Kroaten sind außerdem vergesslich", mault der Student im Gespräch mit dem KURIER. "Karamarkos Vorgänger mussten sich vor Gericht verantworten, für ihre Verfehlungen zahlen wir noch heute." Gemeint ist Ex-Premier Ivo Sanader, langjähriger Chef der HDZ, der wegen Korruption im Gefängnis sitzt.

Kopf am Kopf ins Rennen

Tatsächlich haben die Menschen, die am Samstagvormittag am Britischen Platz fürs Wochenende einkaufen, weniger im Einkaufskorb als im Vergleich zu ihren nördlichen Nachbarn. Ein Familienvater überlegt, überhaupt zur Wahl zu gehen: "Ganz ehrlich, die Politiker der beiden Großparteien sind farblos. Zum Glück gibt es bei uns wenigstens noch keine rechtsextreme Partei wie in anderen EU-Ländern."

Kopf an Kopf gehen die beiden großen Wahlblöcke – Sozialdemokraten und konservative HDZ – in den Wahlsonntag. Um regieren zu können aber wird der Wahlsieger auf jeden Fall einen oder mehrere kleine Koalitionspartner brauchen. Deshalb liegt das Schicksal der großen Parteien des jüngsten EU-Staates dieses Mal in den Händen der Kleinen. Kaum eine der Kleinparteien hat vor dem Urnengang durchblicken lassen, mit wem sie bevorzugt zusammenarbeiten würde. Und so wird noch am Wahlabend das große Feilschen mit den Kleinparteien beginnen.