Politik/Ausland

Chinas Machtambition: Drachen zähmen, leicht gemacht

„Wer Schwäche zeigt, wird verachtet.“ Diese Warnung gibt den Österreichern ein absoluter China-Profi mit auf die Reise: Volker war viele Jahre deutscher Botschafter in Peking und politischer Direktor im Außenministerium in Berlin. Speziell vor der „Umarmungsstrategie“ solle man sich hüten, sagt der 69-Jährige, der seine Erfahrungen heute im Institut für Wissenschaft und Politik in Berlin einbringt.

Chinesen seien Großmeister darin, nach großen Festessen die Freundschaft zu verkünden. Davon dürfe man sich nicht täuschen lassen. „Herzlich, aber hart, das ist ihre ’Kriegsstrategie’“, sagt Stanzel zum KURIER. „Die Europäer müssen das genau so machen: Freundlich sein, die guten Beziehungen loben, aber hart in der Sache bleiben und die eigenen Interessen nicht aus dem Auge verlieren.“ Als Vorbild nennt er – „als Bürger, nicht als Botschafter“ – die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.

Österreichs Politiker und Wirtschaftstreibende sollten keinen Kotau machen, sondern sich ihrer Stärken bewusst sein. „Wenn du etwas hast, was die chinesischen Partner haben wollen, gilt die Devise: Keinen Schritt zurück. Diese Härte wird einem nicht übel genommen, die kennen sie“, betont Stanzel. „Viele deutsche Unternehmer haben mir erzählt, sowie du einen Kompromiss machst, und sei er noch so klein, ist das für das Gegenüber ein Sieg. Er wird nicht aufhören, immer weitere Kompromisse zu fordern.“

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Ob Politik, Wirtschaft oder Militär: Flagge zeigen sei angesagt, auch bei Fragen der Demokratie und Menschenrechte. „Je höher der Politiker in der Rangordnung steht, um so klarer sollte er diese Themen ansprechen. Freundlich und bestimmt: Wir sind von unserem System überzeugt und sind hier anderer Meinung. Und Punkt.“

Teile und herrsche

Was aber kann ein Politiker eines Acht-Millionen-Einwohner-Landes überhaupt bieten, das für das 1,4 Milliarden Menschen zählende Reich interessant wäre? Österreich könne seine wirtschaftlichen und politischen Verbindungen in der EU spielen lassen und anbieten, sich in Brüssel für eine Sache einzusetzen, sagt Stanzel.

Falls Peking überhaupt Fürsprecher in Brüssel braucht. Denn China schafft es meisterhaft, Keile in die EU zu treiben. Für die „16-plus-1“-Treffen hat Peking elf mittel- und osteuropäische EU-Staaten sowie die Beitrittskandidaten auf dem Balkan zu sich ins Boot geholt. Das macht sich bezahlt: Laut Diplomaten ist es bei Abstimmungen über die Menschenrechtslage oder Chinas Politik im Südpazifischen Meer mittlerweile nahezu unmöglich, einen EU-weiten Konsens herzustellen.

„Es lässt sich zwar nicht belegen, aber es ist offensichtlich, dass China nach dem Prinzip vorgeht: Teile und herrsche. Europa ist dadurch geschwächt“, sagt Stanzel. „Die EU-Kommission und die anderen EU-Staaten müssten die anderen elf zur Rede stellen, was sie sich von China erwarten und wie sie zur EU stehen.“

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Vorsicht ist auch bei der üppigen Einkaufstour geboten. Die Europäer müssten ihren Blick für strategische Investitionen und Firmenübernahmen schärfen, damit es nicht zum Ausverkauf der Hochtechnologie kommt. Woher stammt das Geld dafür wirklich? Sollte der Staat dahinter stecken, müssten alle Alarmglocken läuten.

Eine EU-weit strengere Prüfung für Übernahmen steht zwar auf der To-do-Liste. Die bisherigen Vorschläge aus Brüssel sind aber ziemlich weich ausgefallen – auch da stehen Osteuropäer auf der Bremse. Eine heikle Gratwanderung: Wenn die Europäer auf eine wirtschaftliche Öffnung im Reich der Mitte drängen, könne chinesischen Privatinvestoren der Marktzutritt schwer verwehrt werden. Stanzel: „Eine chinesische Mauer rund um Europa wollen wir nicht.“

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Geld regiert

Bisher musste Peking oft nur mit dem Scheckbuch winken, und die Umworbenen wurden schwach. Das ändert sich gerade, denn hoch fliegende Erwartungen wurden enttäuscht. So warteten die Osteuropäer beim 16+1-Gipfel in Budapest vergeblich auf Großaufträge. Es kam fast nichts. Ähnlich sieht es bei der Mega-Baustelle „Neue Seidenstraße“ aus: 96 Prozent der Aufträge sind laut Stanzel an chinesische Unternehmer gegangen. Das sorgt für Ärger. „China merkt, es ist doch nicht so leicht, wenn man von Peking aus in der Welt ausgreift.“

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Trotzdem steckt die EU in einer Zwickmühle. Sie ist beim Handelsstreit ihrer zwei größten Wirtschaftspartner zum Zuschauen verdammt. Und droht der Spielball der Alphatiere Trump (USA) und Xi (China) zu werden. Es war clever eingefädelt: „Trump hat die Strafzölle gegen die EU vorübergehend ausgesetzt und am selben Tag harte Maßnahmen gegen China verkündet“, sagt André Sapir von der Denkfabrik Bruegel, ein Berater der EU-Kommission. Damit setzte er die Europäer unter Druck: „Auf welcher Seite steht ihr?“

Auf solche Machtspiele dürfe man sich freilich nicht einlassen. Die EU müsse gemeinsam mit anderen Verbündeten die USA und China dazu bringen, wieder nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO zu spielen. Denn regiert das „Gesetz des Dschungels“, würde die EU zerquetscht. Und was wäre Plan B, falls das doch nicht klappt? Sapir: „Keiner. Es gibt nur Plan A.“