Politik/Ausland

London: Die Lords stoppen den Sozialabbau

Der Premierminister war außer sich. Das Oberhaus habe jahrzehntealte Regeln mit Füßen getreten, ließ er Parteikollegen wissen. Man werde, so ließ er einen Sprecher mitteilen, eine "rasche Überprüfung" einleiten und so endgültig eines sicherstellen: Das Unterhaus hat in finanziellen Fragen grundsätzlich immer das letzte Wort.

house of lords

Diesmal nämlich hatten die Adeligen im "house of lords" des Londoner Parlaments die Regierung auf dem falschen Fuß erwischt. In vier Wochen muss Finanzminister George Osborne den traditionellen Überblick über sein Budget liefern – und in das hat die Entscheidung des Oberhauses ein sechs Milliarden Euro tiefes Loch gerissen.

14 Milliarden an Einsparungen im Sozialbereich hatte die Regierung von Premier Cameron nach ihrem Wahlsieg im Frühjahr angekündigt. Trotzdem, so hatte der Premier unablässig betont, sei garantiert, "dass es den arbeitenden Menschen besser gehen wird". Doch genau das ist nun nicht der Fall. Denn die Kürzungen bei den sogenannten "tax credits", staatliche Sozialhilfegelder, die vor allem armen Familien mit mehreren Kindern zugute kommen, trifft geradewegs die Kleinverdiener.

2000 Euro Einbußen

Zwischen 1500 und 2000 Euro jährlich würden mehr als drei Millionen Familien verlieren, weil ihnen die Sozialhilfe gestrichen würde, haben britische Experten berechnet. Die von der Regierung gefeierte Anhebung des Mindestlohns auf umgerechnet zehn Euro/Stunde könne das keineswegs ausgleichen. Das vor allem, weil die "tax credits" auf das Familieneinkommen berechnet werden und damit vor allem Alleinverdiener, die diese bisher bezogen haben, jetzt ohne das Geld auskommen müssen.

Dass sich das Oberhaus in politische Fragen einmischt, ist tatsächlich ungewöhnlich. Seit 100 Jahren hat man keinen Gesetzesentwurf des Unterhauses mehr abgewiesen. Diesmal aber gelang es Baronin Hollis von Heigham – sie sitzt für die Labour-Opposition im "house of lords" – die Abgeordneten auf die Rebellion einzuschwören. Die Regierung habe ihr Versprechen, den arbeitenden Menschen nicht zu schaden, gebrochen: "Das dürfen wir nicht zulassen". Drei Jahre lang sollen die geplanten Verschärfungen jetzt auf Eis liegen. So lange können Osbornes Sparpläne nicht warten.