Politik/Ausland

Juncker geht in die Offensive: "Bin nicht bereit, zu kapitulieren"

Was hatte die Gerüchteküche in den vergangenen Tagen nicht alles aufgetischt: Jean-Claude Juncker werde "sicher nicht" Präsident der EU-Kommission, ließ das Umfeld von Ratspräsident Herman Van Rompuy verbreiten; Luxemburgs Ex-Premier werde sich "aus gesundheitlichen Gründen" zurückziehen, wussten manche Diplomaten zu berichten.

Am Donnerstag ging Juncker selbst in die Offensive: Vor der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament bekräftigte er laut Sitzungsteilnehmern seinen Willen, Kommissionschef zu werden. "Ich bin nicht bereit, zu kapitulieren", sagte Juncker dem Vernehmen nach. Und, an die Adresse von David Cameron, der sich explizit gegen Junckers Bestellung ausgesprochen hat: "Der britische Premierminister hat nicht das Recht, seinen Willen allen anderen aufzuzwingen." Er, Juncker, wolle mit London "einen fairen Deal, weil wir die Briten brauchen, wie sie uns brauchen".

"Schmutzkampagne"

Eine Vereinbarung mit Cameron gebe es aber "nicht um jeden Preis": "Ich mache das nicht zum Preis, mich vor den Briten auf die Knie zu werfen", so Juncker, der auch über eine "Schmutzkampagne" der britischen Presse klagte. Erst am Mittwoch hatte die Boulevardzeitung The Sun Cameron eine deutliche Botschaft zum Brüsseler G7-Treffen mitgegeben: "Sechs Gründe, warum Juncker der gefährlichste Mann in Europa ist", lautete die fette Schlagzeile. Am Rande des G7-Gipfels führte Cameron Gespräche mit Van Rompuy, Frankreichs Präsident Hollande, Kanzlerin Merkel und Italiens Premier Matteo Renzi zur Bestellung der Kommission. Renzi könnte zum Zünglein an der Waage werden: Er hat sich bisher nicht wie seine sozialdemokratischen Kollegen im Rat für Juncker ausgesprochen – für ihn stehen Zugeständnisse in der Wirtschaftspolitik im Vordergrund.

Kann Cameron Renzi auf seine Seite ziehen, wäre im Rat eine Sperrminorität gegen Juncker möglich – dann würde wohl auch Merkel von ihm abrücken. Laut der Kanzlerin sei es am Mittwoch vorrangig um Inhalte für die Arbeit der Kommission gegangen – nicht um Namen.

"Wählen nur Juncker"

Das Parlament bleibt derweil geschlossen hinter Juncker: "Die europäische Demokratie darf sich nicht von Cameron erpressen lassen", sagt ÖVP-Mandatar Othmar Karas. "Wir werden nur Juncker wählen." Darauf legt sich auch SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried fest: "Für die Sozialdemokraten kommt nur Juncker in Frage."

Setzt sich Juncker durch, dürfte neben ihm bald eine Frau an der formal höchsten Position der EU stehen: Die dänische Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt wird als neue Ratspräsidentin gehandelt. Als Vertreterin eines Nicht-Euro-Landes wäre sie ein gutes Gegengewicht zu "Mr. Euro" Juncker; ihre Bestellung soll Cameron und andere Juncker-Skeptiker wie etwa Schwedens Premier Reinfeldt umstimmen.