Radikaler Vorstoß: Britischer Pass für alle Hongkonger
Wie lange wird Chinas Führung der Protestwelle in Hongkong noch tatenlos zusehen? Video- und Satellitenbilder von Kolonnen gepanzerter Armeefahrzeugen in der Grenzstadt zu Hongkong zeigen zumindest, dass Peking für den Fall der Fälle gerüstet ist. Zudem steht im Herzen der Millionenmetropole eine Garnison der Volksbefreiungsarmee ohnehin immer bereit, man muss nur die Kasernentore öffnen.
In dieser Situation verwundert es wohl nicht, dass China den Wunsch Washingtons, zwei US-Kriegsschiffe in Hongkongs Hafen einlaufen zu lassen, nicht erfüllt. Von Anfrage und Antwort informierte der US-Präsident Donald Trump die Welt. Und er fügte an, er hoffe, dass es keine Toten in Hongkong geben werde.
"Weisheit" Pekings gefragt
Chris Patten, letzter britischer Gouverneur Hongkongs vor Übergabe der Kronkolonie an China 1997, ist ebenfalls in höchster Sorge. Eine chinesische Intervention wäre „eine Katastrophe“ – und zwar sowohl für China als auch für Hongkong, sagte er gegenüber der BBC. Chinas Staatschef Xi Jinping sollte „die Weisheit des Versuchs sehen, die Menschen zusammenzubringen“, formulierte es Patten. Eine Warnung aus Peking vor „anderen Methoden“ wäre kontraproduktiv, sagte der China-Kenner.
Einen radikalen Vorschlag lieferte am Mittwoch der Chef des auswärtigen Ausschusses im britischen Parlament: Der konservative Politiker Tom Tugendhat will den Hongkonger Bürgern die volle britische Staatsbürgerschaft verleihen. Es sei ein Fehler gewesen, das nicht schon 1997 getan zu haben, sagte Tugendhat laut der Zeitung "Guardian". „Ich denke, dass er korrigiert werden sollte“, wird er zitiert. „In einer Zeit, in der es in Hongkong eindeutig Spannungen gibt, könnte das Vereinigte Königreich vielen Bürgern Hongkongs versichern, dass ihre bestehenden Rechte vom Vereinigten Königreich anerkannt und geschätzt werden.“
Hongkong zählte von 1843 bis 1997 zu den britischen Kolonien. Einige Menschen in Hongkong besitzen zwar einen Pass als britische Bürger aus den Überseegebieten, dieser erlaubt es ihnen aber zum Beispiel nur, sechs Monate im Vereinigten Königreich zu bleiben.
Großbritannien fühlt sich den Demonstranten in Hongkong verpflichtet, hatte China doch London zugesichert, dass in der ehemals britischen Kolonie Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit für mindestens 50 Jahre gewahrt blieben. Hongkongs wiedererstarkte Oppositionsbewegung wirft Peking vor, die als „Ein Land, zwei Systeme“ bekannte Regelung zunehmend zu unterlaufen.
"Gräueltaten von Terroristen"
Pekings Wortwahl am Mittwoch lässt aufhorchen: Die Taten einiger Protestler würden sich „nicht von den Gräueltaten von Terroristen unterscheiden“, hieß es in einer Erklärung des Verbindungsbüros der chinesischen Regierung in Hongkong. Tausende Regierungskritiker hatten in den zwei Tagen zuvor Hongkongs Flughafen weitgehend lahmgelegt. In der Nacht zum Mittwoch kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Protestierenden. Dank einer Sonderverfügung dürfen Demonstranten nun nur noch in kleinen Bereichen des Flughafengebäudes protestieren. Der Flugverkehr funktioniert wieder.