Brexit: EU-Gegner drohen offen mit Revolte
Es war nur der erste Schlagabtausch - und der war bereits ziemlich heftig. Dienstag Abend hatten EU und London sich auf einen vorläufigen Kompromiss für den EU-Austritt geeinigt. Mittwoch Vormittag war dieses Brexit-Abkommen erstmals Thema im Londoner Unterhaus - und schon wurde es laut. Die Labour-Opposition warnte vor fatalen Folgen für britische Arbeiter und Konsumenten und forderte rasche Änderungen. Gleich danach hatte Premierministerin Theresa May ihr Kabinett am Nachmittag einbestellt, um die ziemlich wackelige Einigung absegnen zu lassen. In der Regierung schien die offene Revolte vorerst auszubleiben. Doch ein entscheidender Verbündeter ist der Premierministerin in den Rücken gefallen.
Die Debatte aus dem Unterhaus in London zum Nachsehen
Scheitern im Parlament droht
Die nordirische DUP, Koalitionspartner und lebensnotwendiger Mehrheitsbeschaffer für Theresa May im Parlament, hat bereits klar gemacht, dass sie die Einigung nicht akzeptieren wird. Parteichefin Arlene Foster machte sich am Mittwoch auf den Weg von Belfast nach London und machte schon vor ihrem Abflug deutlich, dass man kein Abkommen akzeptieren werde, "das Nordirland von Großbritannien abdriften lässt". Foster spielt damit auf den bereits bekannt gewordenen Kompromiss mit der EU an, der der britischen Provinz Sonderregelungen einräumen will.
DUP-Fraktionschef Jeffrey Donaldson, meinte, die erzielte Einigung sei "nicht der richtige Brexit". Damit droht dem Abkommen ein Scheitern im britischen Parlament, wo die entscheidenden Sitzungen im Dezember erwartet werden. Auch Abgeordnete aus Mays Konservativer Partei drohten damit, den Deal durchfallen zu lassen, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden.
Die Wortführer der Brexiteers, also der Befürworter eines kompromisslosen Ausstiegs aus der EU, Ex-Außenminister Boris Johnson und der einflussreiche Parlamentarier Jacob Rees-Mogg, rüsteten bereits für den Aufstand im Londoner Unterhaus. Sie warfen May in Interviews vor, sich Brüssel unterworfen zu haben. Überall im Londoner Regierungsviertel Whitehall seien die weißen Fahnen der Kapitulation gehisst worden, so Rees-Mogg.
Großbritannien lasse sich zum Vasallenstaat der EU degradieren und sei im Begriff, Dublin teilweise die Kontrolle über Nordirland auszuhändigen, schimpfte Johnson und kündigte an, gegen das Abkommen zu stimmen.
Schotten rebellieren
In Irland selbst erklärte die Regierung, man werde keinerlei Erschwernisse an der Grenze mit Nordirland dulden. Die schottische Regionalregierung dagegen, ohnehin gegen den Brexit, erklärte, man werde nicht zulassen, dass Nordirland Privilegien im Umgang mit der EU eingeräumt würden und Schottland nicht.
Opposition will Änderungen
Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, teilte per Twitter mit, man werde sich den Text im Detail anschauen. Es sähe aber nicht nach einem guten Deal für Großbritannien aus.Labour will das Recht, Änderungen an dem Vertrag im Unterhaus zu diskutieren, was die Premierministerin aber strikt ablehnt. Sie will das Abkommen genau so abstimmen lassen, wie es jetzt vorliegt.
Labour will bei einem Scheitern des Brexit-Deals von May einen eigenen Plan für den EU-Austritt Großbritanniens vorlegen. "Technisch kann der Brexit nicht verhindert werden", sagte ein Sprecher von Labour-Chef Jeremy Corbyn am Mittwoch gegenüber britischen Medien auf die Frage, was bei einer Ablehnung von Mays Deal im Unterhaus passieren werde. Labour werde in diesem Fall "einen anderen, alternativen Brexit-Plan" präsenieren, sagte der Sprecher. Zugleich bekräftigte er die umstrittene Aussage Corbyns, wonach Labour den EU-Austritt nicht stoppen könne. "Das ist weder unsere Politik, noch unsere Priorität, und wir haben auch nicht die Mittel, um das zu tun", sagte er.
Sollte die angekündigte Einigung im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit chaotischen Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst wäre es aber wohl das Ende der Regierung May. Auch eine Neuwahl oder ein zweites Brexit-Referendum werden für diesen Fall nicht ausgeschlossen.