Brexit: Londoner Börse bleibt relativ gelassen
Von Christine Klafl
Für Anleger und die Wirtschaftswelt kamen am Dienstag eigentlich ganz gute Nachrichten aus London. Trotz sämtlicher Brexit-Risiken ist die britische Wirtschaft zu Jahresbeginn so stark gewachsen wie seit zwei Jahren nicht mehr, meldete das Statistikamt ONS. Die Zahlen dazu: Im Jänner lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,5 Prozent über dem Niveau vom Dezember. Analysten hatten mit nicht einmal halb so viel gerechnet.
Tiefe Basis
Die positive Nachricht hat allerdings einen Haken: Der Sprung konnte deshalb so groß ausfallen, weil die Basis tief war. Am Ende des Vorjahres war die britische Wirtschaft um 0,4 Prozent geschrumpft. Mit diesem schlechten Wert schaffte das BIP im Schlussquartal 2018 nur ein Plus von 0,2 Prozent. Für das laufende Quartal erwartet Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria, eine leichte Beschleunigung.
Briten fallen zurück
Das Vereinigte Königreich wird wohl in keine tiefe Rezession rutschen. Dafür sind die Prognosen nicht schlecht genug. Tatsache aber ist, dass sich die britische Wirtschaft seit dem Brexit-Referendum schwächer entwickelt als etwa der Durchschnitt der Eurozone. „Fast alle sind der Meinung, dass es eine Kluft gibt zu dem, was man ohne Brexit hätte haben können“, sagt Bruckbauer.
Zitterpartie
Der Rückstand, der sich hier aufbaut, sollte eigentlich an schlechten Börsenkursen abzulesen sein. Das ist aber nicht der Fall. Der Leitindex der Londoner Börse, der FTSE-100-Index, liebevoll Footsie genannt, legte zwar am Dienstag eine Zitterpartie hin. Mal war er im Plus, mal leicht im Minus. Seit Jahresbeginn hat er aber immerhin schon sechs Prozent gewonnen. Ein kurzer Rückblick: Das Vorjahr schloss der Footsie mit einem Minus von 12,5 Prozent ab. Damit war er aber in bester Gesellschaft: Angst vor Handelsstreitereien und Trumpschen Strafzöllen vertrieb Aktienanleger vor allem ab Herbst. Der Frankfurter DAX schloss das Börsenjahr mit minus 18,3 Prozent, der Wiener ATX war 19,7 Prozent unter Wasser.
Die Londoner Börse habe das lähmende Brexit-Tauziehen bisher relativ gut weggesteckt, meint Ökonom Bruckbauer. Zum einen seien im Footsie viele Konzerne enthalten, die global aufgestellt sind und von Querelen im Heimatland nicht stark gebeutelt werden. Im Index stecken immerhin Titel wie Royal Dutch Shell, Mondi oder Marks & Spencer. Zum anderen hat die Pfund-Schwäche für Unternehmen auch Vorteile gebracht.
Etwas stärkeres Pfund
Auch am Pfund war am Dienstag die aktuelle Nervosität abzulesen: Zu Handelsbeginn in Europa legte der Kurs leicht zu, dann fiel er deutlich zurück. Bruckbauers Prognose für das laufende Devisenjahr: Das britische Pfund sollte tendenziell bis zum Jahreswechsel und auch darüber hinaus leicht an Kraft gewinnen, um sie dann wieder abzubauen.
Auch außerhalb der EU werde London ein attraktiver Standort bleiben, etwa für IT oder Dienstleister, ist Bruckbauer überzeugt. Das habe vor allem mit der Sprache und der Flexibilität zu tun. „Wichtig wird sein, wie sie mit der Einwanderung umgehen“, meint er mit Blick auf fehlende Fachkräfte. Das im Vergleich mit der Vergangenheit schwächere Pfund werde mehr Touristen anlocken. Lästige Grenzkontrollen könnten zwar Europäer abschrecken, die breiten Touristenströme aus Asien aber nicht.