Politik/Ausland

Brasilien: „Proteste könnten in Gewalt umschlagen“

Bolivien, Chile, Ecuador, Venezuela sowieso – in vielen Ecken Südamerikas „brennt“ es. Jetzt könnte der Funke auch auf Brasilien überspringen. Denn der ultra-rechte Präsident Jair Bolsonaro, der seit Jahresbeginn im Amt ist, gilt der Linken schon lange als Feindbild. Nach der Freilassung des früheren Staatschefs Luiz Inacio Lula da Silva aus der Haft (bis zu einem rechtskräftigen Urteil wegen Korruptionsvorwürfen) hat sie ihre Integrationsfigur wieder.

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„Noch ist nicht klar, welche Strategie Lula einschlagen wird: eine Fokussierung auf den nächsten Urnengang 2022 oder eine starke Mobilisierung der Straße. Die Proteste könnten auch in Gewalt umschlagen – je nachdem, wie Bolsonaro auf die verfassungsmäßigen Rechte der Bevölkerung reagieren wird“, sagt Jose Placido da Silva Junior von der Landarbeiter-Bewegung (CPT), die sich vor allem um Kleinbauern und Landlose kümmert, im KURIER-Gespräch.

„Volk auf den Straßen“

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Bolsonaro setze auf Gewalt, indem er unter anderem die Bewaffnung von Großgrundbesitzern legalisiert habe, und er würde „Hass in der Bevölkerung“ säen, indem er Homosexuelle, Indigene, Schwarze oder Frauen bereits vor seiner Wahl verunglimpft habe. „2020 wird ganz entscheidend für Brasilien. Das erste Jahr von Bolsonaro war wie die ersten 15 Minuten eines Fußballspieles: Da schaut man sich das einmal an. Die Zeit ist vorbei, jetzt strömt das Volk auf die Straßen“, analysiert da Silva, der mit seiner CPT-Mitstreiterin Renata Costa Cezar de Albuquerque auf Einladung der entwicklungspolitischen Einrichtung Welthaus Graz der Diözese Graz-Seckau in Wien war.

Gemeinsam listen die beiden die Verfehlungen der Regierung aus ihrer Sicht auf: Die Millionen Studierenden, die heuer wegen massiver Kürzungen im Bildungsbereich demonstriert hatten, habe Bolsonaro als „Idioten“ bezeichnet und so diskreditiert; die Missachtung der Landrechte von Indigenen und anderer Gruppen habe zu massiven Landkonflikten geführt, von denen bis zu einer Million Menschen betroffen seien – in diesem Zusammenhang und wegen Deals im Öl-Business spricht de Albuquerque von einem „Ausverkauf Brasiliens an die USA“.

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Amazonas-Katastrophe

Ganz schlimm, so die Aktivisten unisono, sei die Umweltpolitik: „Brände hat es im Amazonas immer gegeben, aber nie in diesen Dimensionen. Dafür ist direkt das Agro-Business verantwortlich, in Allianz mit der Regierung. Diese hat etwa den Direktor des Instituts für die Überwachung mit Satellitenbildern einfach gefeuert, nur weil er die Katastrophe dokumentiert hatte. Und das Sekretariat für Klimawandel im Umweltministerium wurde kurzerhand geschlossen.“ Bolsonaro handle nach der Maxime: „Das Grün Amazoniens muss in das Grün von US-Dollars verwandelt werden.“

"Bolsonaro ist bester Wahlkämpfer von Lula"

Auf die Frage, ob Lula eine Chance habe, nochmals Präsident Brasiliens zu werden – wenn er antreten dürfte –, meint da Silva: „Alle Umfragen zeigen dies. Zumal das aktuelle Staatsoberhaupt keines seiner Versprechen einlösen konnte: Arbeitslosigkeit und Armut sind gestiegen, das Ansehen in der Welt ist gesunken, die Hoffnung geschwunden. In diesem Sinn ist Bolsonaro der beste Wahlkämpfer von Lula.“