Politik/Ausland

Berlusconis Tochter soll Nachfolge antreten

Nennen wir es nicht Gerichtsurteil, nennen wir es nicht Prozess und vor allem nennen wir es nicht Recht. Das war ein absurdes Spektakel und hatte mit Justiz nichts zu tun“, machte Silvio Berlusconis älteste Tochter Marina ihrem Ärger Luft. Für die 46-jährige Präsidentin der familieneigenen Finanzholding Finivest stand der Gerichtsbeschluss von Beginn an fest. Der 76-jährige Ex-Premier wurde am Montag wegen Amtsmissbrauchs und Verführung Minderjähriger zur Prostitution in erster Instanz zu sieben Jahren Haft und Ausschluss aus allen öffentlichen Ämtern verurteilt.

Laut Spekulationen könnte die Unternehmerin bald in die Fußstapfen ihres Vaters treten und in die Politik einsteigen. Sohn Piersilvio, 44, der sich sonst von Politik fernhält und eher als Frauenheld auf Society-Seiten auftaucht, meldete sich ebenfalls zu Wort: „Ich habe mich in all den Jahren nie zu dem Unrecht, das mein Vater erleidet, geäußert. Aber bei dieser absurden Verurteilung kann ich nicht mehr schweigen.“

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Berlusconis enge Vertraute Daniela Santanché wartete persönlich im Tribunal auf die Urteilsverkündigung. Anschließend sprach die Parlamentarierin von einem „kriminellen Plan“, um ihren „Leader“ aus dem Amt zu drängen. Aber sie sei gekommen, um „als Frau diesen Frauen in die Augen zu schauen“. Mit „diesen Frauen“ sind Gerichtspräsidentin Giulia Turri sowie ihre Kolleginnen Orsola De Cristofaro und Carmen D'Elia gemeint. Das Richterinnen-Trio bestätigte, dass Berlusconi bei ausschweifenden Partys in seiner Villa Arcore für Sex mit der minderjährigen Nachtclubtänzerin Karima el Marough, alias Herzensbrecherin „Ruby Rubacuori“, bezahlt haben soll. Es kam in der Villa, die einem Harem glich, zu „systematischer Prostitution“.

Schwerer aber wiegt der Amtsmissbrauch, den sich der damalige Regierungschef durch seine persönliche Intervention beim Polizeipräsidenten zu Schulden kommen ließ. Er erwirkte die Freilassung Rubys, die nach einem Diebstahlverdacht festgenommen worden war.

Zu alt für Haft

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Mit sieben Jahren Haft verhängten die drei Richterinnen eine noch höhere Strafe, als die Staatsanwaltschaft unter Vorsitz von Ilda Boccassini gefordert hatte. Doch Berlusconi wird trotz allem nicht hinter Gitter landen. Denn wer über 70 Jahre alt ist, muss in Italien nicht mehr ins Gefängnis. Außerdem legten Berlusconis Anwälte gegen das Urteil in erster Instanz Berufung ein. Bis der Prozess zwei weitere Instanzen durchläuft, dürften noch ein paar Jahre ins Land ziehen. Es gilt als italienisches Phänomen, dass am Tag nach dem Urteil selbst in Oppositionskreisen nicht über einen Rücktritt Berlusconis diskutiert wird. Im Entrüstungssturm der Pdl-Parlamentarier gehen kritische Stimmen unter. Eine kleine Demonstranten-Gruppe vor dem Mailänder Gericht bejubelte das Urteil mit „Hip Hip Hurra“-Rufen und stimmte das Partisanenlied „Bella Ciao“ an.

Armee für Berlusconi

Militante Silvio-Anhänger gründen die Web-Seite www.esercitodellaliberta.itund wollen für Berlusconi ein eigenes Heer aufstellen. Soldaten sollen den Cavaliere im „20-jährigen Krieg“ – damit sind die Justizprozesse gemeint – unterstützen.

Premier Enrico Letta versuchte sich vom Ausgang des Ruby-Prozesses nicht beeindrucken zu lassen: „Die Regierung ist stabil, Berlusconis Prozesse haben keinen Einfluss darauf.“ Letta war immer schon der Ansicht, dass er so arbeiten müsse, als gäbe es diese Themen gar nicht: „Die Regierung respektiert die Unabhängigkeit der Justiz.“ Kurios, dass der neue Film des römischen Regisseurs Nanni Moretti „Der Italiener“ die Realität trifft. Auch da wird der Angeklagte zu sieben Jahren Haft und zum Ausschluss von öffentlichen Ämtern verurteilt.