Preisgekrönt, aber nicht unumstritten: Das ist der neue Heilsbringer in Bangladesch
von Florian Mühleder
Nach der Auflösung des Parlaments in Bangladesch am Dienstag steht Muhammad Yunus als Regierungschef der Übergangsregierung fest. Die Studentenbewegung, die die Anti-Regierungsproteste im Land gestartet hatte, machte sich nach dem Regierungssturz für ihn stark. Die seit Juli andauernden Proteste waren am Montag in der Erstürmung des Regierungspalasts gegipfelt. Scheich Hasina legte nach 15 Jahren ihr Amt als Premierministerin zurück und flüchtete nach Indien.
„Bankier der Armen“ als Übergangsregierungschef
Der 84-jährige Yunus, der nun vorübergehend das Land führen wird, erhielt 2006 für seine bahnbrechende Arbeit im Bereich der Mikrofinanzierung den Friedensnobelpreis. Der Sozialunternehmer und Wirtschaftswissenschaftler gründete 1983 die “Grameen Bank“, eine Bank, die Mikrokredite an die ärmsten Menschen in Bangladesch vergibt. Yunus wird auch "Bankier der Armen“ genannt.
Anfang der 2000er-Jahre wuchs seine Bank rasant und vergab rund 6 Milliarden US-Dollar in Form von Wohnungsbau, Studien- und Kleinstunternehmenskredite.
Starke Kritik an Geschäftsmodell
Das Konzept der Mikrokredite wurde später als ähnliches Modell auf der ganzen Welt umgesetzt. Kritiker argumentieren, hohe Zinssätze mancher Mikrokreditgeber hätten die Kreditnehmer verarmt. Die Kreditgeber würden mit Kleinkrediten große Gewinne machen. Für die Kreditnehmer bedeutet es zu hohe Zinsen, Überschuldung und Verlust von Land zum Schuldenausgleich. Manche Menschen schaffen es allerdings mithilfe der Mikrokredite, sich eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen, andere wiederum lassen sich dazu bewegen, Kredite aufzunehmen, die viel zu hoch sind, sie jemals zurückzahlen zu können.
Mathias Pfeifer von der Menschenrechtsorganisation FIAN betonte im Gespräch mit zdf heute, dass Mikrokredite nicht für jeden geeignet seien. Viele Eltern könnten aufgrund der Schulden ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken und müssten an den Mahlzeiten sparen. Manche treibe die Überschuldung gar bis in den Selbstmord. Finanzielle Bildung und Schulungen der Mitarbeiter sei wichtig, um sicherzustellen, dass Kredite nur an Personen vergeben werden, die diese auch zurückzahlen können.
Ex-Regierungschefin Hasina nannte Yunus deshalb einst einen „Blutsauger der Armen“. Yunus wies die Kritik zurück, es gehe ihm nicht darum, Geld zu verdienen, sondern den Armen zu helfen.
Ex-Premier Hasina machte Leben „unerträglich“
Yunus war schon während der Amtszeit Hasinas einer ihrer größten Kritiker, sie sah in ihm ihren Erzfeind. Yunus sagte in einem Interview mit dem US-Sender CNN, dass die frühere Regierungschefin die Menschen in Bangladesch „gequält und das Leben im Land unerträglich gemacht“ habe. Die Wahlen während der 15-jährigen Amtszeit Hasinas stufte er als „Fiktion“ und undemokratisch ein.
Die gewaltsamen Reaktionen der Regierung auf die Proteste, bei denen es laut AFP 409 Todesopfer gab, nannte er „ein Versagen der Regierung und ein Versagen der Demokratie“. Yunus selbst wollte allerdings nie Politiker werden und lehnte laut eigenen Angaben bereits 2007 einen Regierungsposten ab.
Demonstrationen führten zu Auflösung des Parlaments
Die seit 1. Juli von Studenten angeführten Demonstrationen richteten sich ursprünglich gegen eine Quotenregelung im Behördendienst. Die Regelung sicherte seit 1972 ursprünglich Veteranen und deren Familien dreißig Prozent der staatlichen Jobs. Experten sehen die Quotenregelung allerdings als ein System an, das unter dem Deckmantel der Förderung von ehemaligen Militärangehörigen systematisch Regierungstreue bevorzugt.
Die überwiegend friedlichen Proteste entwickelten sich zu zunehmend gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Anhängern der Regierung und der Polizei. Zehntausende begaben sich in den vergangenen Tagen auf die Straßen und forderten das Ende der 15-jährigen Regierungszeit der Premierministerin Hasina.
Am Montag verkündete das Militär den Rücktritt Hasinas und in weiterer Folge die Auflösung des Parlaments. Die Menschen wurden dazu aufgerufen, ihre Proteste einzustellen.
Viele Herausforderungen für Yunus
Experten zufolge steht Yunus im Zuge der Regierungsreformen ein langer und schwieriger Weg bevor. Eine Hauptrolle von Yunus Regierungszeit wird darin bestehen, freie und faire Wahlen auszurufen.
Außerdem müsse man das Vertrauen der Bürger wieder zurückgewinnen. In der Bevölkerung herrsche ein großes Misstrauen gegenüber der Polizei, der Justiz und anderen staatlichen Institutionen. Die Übergangsregierung ist dazu auf die Unterstützung der großen Studentengemeinschaft angewiesen.
Darüber hinaus steht in Bangladesch eine Wirtschaftsreform an. Der wirtschaftliche Hintergrund von Yunus könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Korruptionsbekämpfung sollte weiters von großer Bedeutung sein.
Nach den Protesten der letzten Wochen wird es zudem eine Aufgabe von Yunus sein, die hunderten Todesfälle unter den Protestierenden aufzuarbeiten und Untersuchungen einzuleiten.