Politik/Ausland

Aufstand gegen ein Phantom: Algerier haben Regime satt

Für die Menschen in Algerien ist Abdelaziz Bouteflika wie ein Phantom: Nicht greifbar und doch immer da.

Seit einem Schlaganfall 2013 ist der greise Machthaber, der das Land seit 20 Jahren führt, schwer angeschlagen. Das Reden fällt Bouteflika schwer, seltene öffentliche Auftritte absolviert der 82-Jährige im Rollstuhl.

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All das hindert ihn aber nicht daran, bei den Präsidentenwahlen am 18. April eine weitere fünfjährige Amtszeit anzustreben. Durch den „unerschütterlichen Willen, dem Vaterland zu dienen“ könne er seine „gesundheitlichen Unannehmlichkeiten“ überwinden, verkündete er in einem Schreiben an sein Volk.

Armut, Arbeitslosigkeit, Korruption

Dieses Volk hat allerdings genug von Bouteflika: Seit Tagen gehen in Algerien Zehntausende Menschen weitgehend friedlich auf die Straßen. nIhr Zorn richtet sich gegen Bouteflikas Regime, das es trotz des Erdöl- und Gasreichtums des Landes nicht schafft, die soziale Ungleichheit und Korruption zu verringern.

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Bouteflika war 1999 nach jahrelangem Bürgerkrieg mit mehr als 150.000 Toten vom Militär an die Macht gehievt worden. Er sollte das gespaltene Land einen – was zunächst auch gelang.

Und auch als der Arabische Frühling ab 2010 andere autoritäre Herrscher hinwegfegte, konnten sich Bouteflika und sein Regime noch halten - anders als etwa im benachbarten Tunesien.

Nun hallt aber der Ruf nach Bouteflikas Sturz durch die Straßen der Städte. „Ihr habt das Land ausgeplündert, ihr seid Diebe“, riefen Demonstranten auch am Samstag in Algier.

Wer dieses „Ihr“ ist, ist dabei unklar. Bouteflika steht laut Beobachtern nur mehr nominell an der Staatsspitze. Die eigentliche Macht habe eine unbekannte Clique aus Politikern, Generälen und Geschäftsleuten, von der Bevölkerung nur „le pouvoir“ genannt, „die Macht“.

21 Millionen junge Menschen

Dieser „Macht“ steht eine gigantische Masse junger, unzufriedener Menschen gegenüber, die keine Perspektive mehr sieht. Ungefähr die Hälfte der 42 Millionen Algerier ist unter 25 Jahre alt. Die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe liegt offiziell bei 25 Prozent.

Für die Demonstranten, die sich über soziale Netzwerke organisieren, wäre es daher nicht ausreichend, sollte Bouteflika nicht mehr antreten oder nicht wiedergewählt werden – was angesichts des zu erwartenden Wahlbetrugs ohnehin unwahrscheinlich wäre.

Sie fordern die Absage des Urnengangs und einen kompletten, demokratischen Neubeginn mit einer Übergangsregierung und einer verfassungsgebenden Versammlung.

„Die Leute haben keine Angst mehr“, fasste der bekannte algerische Schriftsteller Kamel Daoud gegenüber dem französischen Sender RTL die Stimmung im Land zusammen. Ein großes Manko der Protestbewegung ist allerdings der Zustand der Opposition. Diese ist gespalten, u.a. wegen der Frage, wer auf Bouteflika folgen könnte.

Premier droht

Dieses Problem treibt auch das Regime um. Es hält Beobachtern zufolge nur an Bouteflika fest, weil es sich nicht auf einen Nachfolger einigen könne. Sichtbares Zeichen des Richtungsstreits sei, dass das Militär die Demonstrationen bisher duldete.

Dass sich das aber schnell ändern könnte, zeigen die jüngsten Warnungen von Premierminister Ahmed Ouyahia. Dieser erinnert immer wieder an den Beginn des Bürgerkrieges 1991 – der auch mit Protesten begann.