Asylwerber abweisen? Deutschland prüft harte Maßnahmen an den Grenzen
Nach einem Anschlag mit drei Toten in Solingen und Schüssen beim NS-Erinnerungszentrum in München befindet sich Deutschland mitten in einer massiven Migrations- und Integrationsdebatte. Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP steht nach den Wahlerfolgen der extrem rechten AfD bei den jüngsten Landtagswahlen in Ostdeutschland zudem massiv unter Druck.
Nun stehen Pläne für drastische Maßnahmen im Raum, die die bisherige Rechtslage aushebeln würden: Auch Asylwerber könnten an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden, wie die deutsche Regierung am Montag ventilierte. Heute, Dienstag, findet ein weiterer Asylgipfel statt, an dem auch die Unionsparteien teilnehmen werden. Sie verlangen einen härteren Kurs- vor allem in Bayern, das an Österreich grenzt.
Die deutschen Grenzen werden sechs Monate lang kontrolliert
Am Montagnachmittag hatte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet. Die zusätzlichen Kontrollen sollen am 16. September beginnen und zunächst einmal sechs Monate andauern, wie aus Regierungskreisen bekannt wurde.
Stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es bereits seit dem Vorjahr, an der Grenze zu Österreich schon seit 2015. Zurückweisungen von Asylsuchenden würde auch hierzulande Folgen haben. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat am Montag bereits angekündigt, keine Menschen aufzunehmen, die an der deutschen Grenze zurückgewiesen würden.
Zurückweisungen sollen "europarechtskonform" sein
Nach dem Migrationstreffen mit Unionsfraktion und Ländervertretern in der vergangenen Woche habe die Regierung nun zudem ein "Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt", hieß es aus Regierungskreisen. Dieses Modell gehe über die derzeit erfolgenden Zurückweisungen hinaus. Faeser habe dies der Unionsfraktion mitgeteilt und vertrauliche Gespräche dazu angeboten. Ein solches Gespräch mit der CDU/CSU-Fraktion und dem Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz könnte an diesem Dienstag stattfinden, hieß es.
In der Praxis geht es um die Einführung von Kontrollen auch an den deutschen West- und Nordgrenzen zu Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich.
Als Gründe für die nun angeordneten Kontrollen genannt wurden neben der Begrenzung der irregulären Migration auch der Schutz der inneren Sicherheit vor aktuellen Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus und vor grenzüberschreitender Kriminalität. Seit vergangenen Oktober sind laut Innenministerium mehr als 30.000 Menschen zurückgewiesen worden.
Bayern will einen harten Kurs an der Grenze fahren
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder drang unterdessen auf eine deutliche Reduzierung der Zuwanderung - und fordert, quasi als Bedingung für eine parteiübergreifende Lösung, Zurückweisungen von Migranten auch an den deutschen Grenzen. "Wir müssen die Zuwanderung massiv reduzieren", sagte der CSU-Vorsitzende am Montag bei der Jahrestagung des Deutschen Landkreistages im oberbayerischen Kloster Seeon. "Dies muss jetzt gelöst werden."
Dazu brauche es Zurückweisungen auch an den Grenzen - was rechtlich möglich sei. Er frage sich wirklich, warum es dafür noch einmal eine rechtliche Überprüfung brauche. "Was in Dänemark geht, muss bei uns am Ende auch gehen." Wenn es nicht in einem größeren Umfang Zurückweisungen an den Grenzen geben werde, dann mache die aktuelle gemeinsame Arbeitsgruppe keinen Sinn, warnte Söder.
Zudem brauche es mehr Abschiebearrestplätze, mehr Rückführungsverträge mit Drittstaaten und die Reduzierung von sozialen Anreizfaktoren, forderte der CSU-Chef. Dabei kritisierte er, es sei absurd, nicht mit Syrien und anderen Staaten zu reden. Dafür allerdings sei das Auswärtige Amt zuständig.
Zurückweisungen an deutschen Landgrenzen gibt es derzeit nur in bestimmten Fällen: wenn jemand mit einer Einreisesperre belegt ist oder kein Asyl beantragt. Zurückweisungen an den deutschen EU-Binnengrenzen sind grundsätzlich nur da möglich, wo es Kontrollen direkt an der Grenze gibt.
Wie der neue Vorschlag der deutschen Regierung zu den Zurückweisungen genau aussieht, blieb zunächst offen. In der Vergangenheit hatte es aus dem politischen Raum unterschiedliche Ideen gegeben, etwa dass diese auf alle Ausländer ohne Ausweispapiere ausgedehnt werden sollten oder auf Asylbewerber, die bereits in einem Land als Schutzsuchende registriert wurden.
Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht will die Asylzahlen nach eigenen Worten mit einer "sehr radikalen Maßnahme" senken. Sie fordert eine Regel, "dass nur diejenigen in Deutschland noch ein Asylverfahren und auch Anspruch auf Leistungen haben, die nicht aus einem sicheren Drittstaat einreisen - und die Beweispflicht liegt beim Antragsteller". Damit würde sich die Chance auf ein Verfahren auf eine "verschwindende Minderheit“ reduzieren, sagte Wagenknecht in Berlin.
Deutschland ist von Staaten der Europäischen Union umgeben, die automatisch als sichere Drittstaaten gelten. Nach jetziger Praxis dürfen Ankommende in Deutschland um Asyl bitten. Damit beginnt ein Prüfverfahren, das Monate oder Jahre dauern kann. Währenddessen werden die Menschen untergebracht und versorgt. Nach Wagenknechts Vorschlag dürfte wohl fast keiner der Einreisenden auf dem Landweg mehr Asyl beantragen.